Tod eines Lehrers
verschlossenen Umschlag gab.
»Ich habe schon auf Sie gewartet, wollte Sie aber nicht stören«, sagte sie. »Der lag vorhin auf meinem Tisch, Ihr Name steht drauf.«
»Wann haben Sie ihn bekommen, und von wem ist er?«
»Ich weiß es nicht, ich war eine ganze Weile am Kopierer, und im Sekretariat herrscht um diese Zeit ein ständiges Kommen und Gehen.«
»Danke«, sagte Brandt und wartete mit dem Öffnen des Umschlags, bis sie wieder allein waren. Er zog ein Blatt Papier heraus, überflog das Geschriebene und reichte es an Nicole Eberl weiter.
Sie sah Brandt an und meinte: »Was soll das heißen?«
»Das soll heißen, dass ich mit meiner Vermutung vielleicht doch nicht ganz Unrecht habe. ›Befassen Sie sich doch mal etwas eingehender mit Frau Russler.‹ Mit Maschine geschrieben, keine Unterschrift. Tja, dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als der Freundin unserer Staatsanwältin heute Nachmittag mal einen kleinen Besuch abzustatten. Mal sehen, was sie uns bis jetzt verschwiegen hat.«
»Oder jemand will uns auf eine falsche Spur führen«, bemerkte Eberl.
»Glaub ich nicht. So was schreibt nur jemand, der über Insiderwissen verfügt. Hört sich hochtrabend an, was?«, sagte er grinsend.
»Viel Glück. Du willst das alleine machen?«
»Ja. Wir fahren jetzt erst mal zurück ins Präsidium, danach werde ich unsere Staatsanwältin ein bisschen über die Russler ausfragen.«
»Die riecht doch sofort den Braten.«
»Wieso sollte sie? Meine Fragen werden ganz unverbindlich sein, du kennst mich doch. Und das mit Greulich, ich meine, ich bitte dich nur ungern darum, das musst du mir glauben, aber vielleicht könntest du mit ihm einige der Schüler zu Hause aufsuchen und noch ein paar Fragen stellen und vor allem die Alibis überprüfen. Nur die Abele und die Esslinger, die überlass bitte mir.«
»Ich hätte sowieso nur die genommen, die ich auch vorhin befragt habe. Mach dir mal keine Gedanken, ich komme mit Greulich schon zurecht. Ich bin schließlich die Ranghöhere.«
»Du bist ein Schatz. Mir kribbelt’s in den Fingern, ich spüre, dass wir allmählich hinter das geheimnisvolle Leben von Schirner kommen.«
»Meinst du, die Russler hat etwas mit seinem Tod zu tun?«
»Kann ich erst beurteilen, nachdem ich mit ihr gesprochen habe. Aber von meinem bisherigen Eindruck her würde ich eher sagen, nein. Komm, fahren wir, ich muss vor allem endlich was essen. Wie sieht’s mit dir aus, ich lad dich ein.«
»Ich hab keinen Hunger.«
»Auch nicht auf Hamburger und Pommes? So ’nen richtig schönen fetten Hamburger mit richtig schönen fetten Pommes?«
»Überredet«, sagte Eberl verschämt lächelnd. Sie wirkte dabei wie eine junge Dame, die zum ersten Mal zum Tanz aufgefordert wird. »Und dazu einen richtig heißen Kaffee.«
»Na also, geht doch.«
Sie hielten an einer Imbissbude, aßen im Auto und kamen um dreizehn Uhr im Präsidium an. Brandt berichtete Spitzer in knappen Worten von den Befragungen, von dem unerwarteten Auftauchen von Elvira Klein in der Schule und zeigte ihm schließlich den anonymen Brief.
»Hm«, war der einzige Kommentar, den Spitzer dazu abgab. Dann legte er das Papier auf den Tisch und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
»Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«
»Was willst du hören? Es ist dein Fall, ich wei ß nur das, was du mir erzählst, und das reicht mir. Du wirst das schon schaffen. Aber das mit der Klein würde ich mir noch mal überlegen. Ich bin da voll Nicoles Meinung, dass die Klein sofort merkt, wenn du …«
»Gar nichts wird die merken. Ich geh gleich mal rüber zu ihr, ein bisschen gute Luft machen, auch wenn’s schwer fällt. Und sollten wir uns heute nicht mehr sehen …« Er winkte Spitzer zu und begab sich zur Staatsanwaltschaft. Diesmal wartete er höflich auf das Herein, nachdem er angeklopft hatte.
»Störe ich?«, fragte er und machte die Tür hinter sich zu.
»Im Moment ausnahmsweise nicht«, antwortete Elvira Klein und legte die Zeitung auf den Tisch. »Ich habe zwar gerade meine Mittagspause, aber ich nehme an, es ist wichtig, sonst wären Sie nicht hier.«
»Ich wollte mich nur wegen vorhin entschuldigen. Ich habe ja nicht wissen können, dass Sie Frau Russler kennen.«
»Ich habe selber nicht gewusst, dass sie jetzt als Lehrerin dort tätig ist. Was haben denn Ihre weiteren Ermittlungen ergeben?«
»Nichts von Bedeutung«, sagte Brandt und blieb stehen. »Wir haben bis jetzt nicht den geringsten Hinweis auf ein Motiv. Schirner
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