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Tod eines Lehrers

Tod eines Lehrers

Titel: Tod eines Lehrers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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Über eine Stunde war vergangen, als Brandt Kerstin Abele zu sich bat. Er hatte sie noch gut in Erinnerung. Sie hatte auf dem Tisch gesessen und fast die ganze Zeit zu Boden geblickt. Heute war es nicht anders, nur dass es diesmal keinen Tisch gab, auf den sie sich setzen konnte, sondern nur einen Stuhl. Sie machte einen sehr ernsten und distanzierten Eindruck, als würde sie sich vor den nächsten Minuten fürchten.
    »Frau Abele, darf ich fragen, wie alt Sie sind?«
    »Neunzehn.«
    »Sind Sie später eingeschult worden, oder mussten Sie eine Ehrenrunde drehen?«
    »Ehrenrunde. Hab die Zehn vermasselt.«
    »Und jetzt läuft’s?«
    »Ja, schon.«
    »Und seit wann haben Sie Herrn Schirner als Lehrer gehabt?«
    »Seit der Elf. Er war mein Klassenlehrer.«
    »Haben Sie es ihm zu verdanken, dass Ihre Leistungen jetzt besser sind?«
    »Er war ein guter Lehrer«, antwortete sie ausweichend.
    »Sie hatten nie irgendwelche Probleme mit ihm?«
    Kerstin Abele schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe sehr viel bei ihm gelernt.«
    »Gibt es Schüler, die nicht so gut mit ihm konnten?«
    »Weiß nicht, mir fällt keiner ein.«
    »Was hat ihn denn so ausgezeichnet?«
    »Es war einfach seine Art. Er hat den Stoff prima rübergebracht, sodass jeder es verstanden hat.«
    »Welche Fächer hatten Sie bei ihm?«
    »Mathe und Ethik. Physik hab ich abgewählt, weil ich damit nichts anfangen kann.«
    »Mathe und Ethik Leistung?«
    »Nein, nur Ethik Leistung, Mathe Grund.«
    »Und welches Leistungsfach haben Sie noch?«
    »Deutsch und Englisch.«
    »Sie haben drei Leistungsfächer?«, fragte Brandt erstaunt. »Die meisten, mit denen ich bis jetzt gesprochen habe, haben nur zwei. Warum so viele?«
    Kerstin Abele zuckte mit den Schultern und sagte: »Meine Eltern wollten das so. Vor allem mein Vater.«
    »Aber Sie sind nicht glücklich damit, zumindest sehen Sie nicht so aus. Andererseits, Sie sind neunzehn und haben die freie Entscheidung.«
    »Da kennen Sie aber meine Eltern schlecht. Na ja, ich werd’s schon irgendwie schaffen.«
    Sie klingt resigniert, dachte Brandt, und irgendwie tat sie ihm Leid, die ganze Haltung, der fehlende Blickkontakt, die leicht heruntergezogenen Mundwinkel. Er schwor sich, seine Töchter nie so unter Druck zu setzen.
    »Darf ich fragen, was Ihr Vater macht?«
    »Er ist Chefingenieur bei der Lufthansa, aber fragen Sie mich nicht nach Einzelheiten, es interessiert mich nämlich nicht. Er ist auf jeden Fall ein hohes Tier und verdient entsprechend Kohle. Und ich soll mal in seine Fußstapfen treten.«
    »Aber Sie sind eine junge Frau …«
    »Das interessiert den doch nicht! Ihm wäre es sowieso viel lieber gewesen, wenn ich ein Junge geworden wäre. Er sagt, Mädchen machen nur Ärger. Ist mir auch egal. Ansonsten ist er ganz okay.« Doch wie sie dieses »ansonsten ist er ganz okay« betonte, klang eher wie, »zum Teufel mit diesem Arschloch«.
    »Ich kann Ihnen da leider nicht helfen. Bei wem haben Sie denn die andern Leistungskurse?«
    »Deutsch bei Frau Russler und Englisch bei Herrn Teichmann.«
    »Herr Schirner war Vertrauenslehrer. Haben Sie sich ihm jemals anvertraut?«
    »Was meinen Sie mit anvertraut?«
    »Dass Sie ihm zum Beispiel von dem häuslichen Druck berichtet haben.«
    »Ich habe schon mal mit ihm gesprochen, aber nicht über das, was zu Hause so abgeht.«
    »Und Sie können sich auch nicht vorstellen, dass jemand aus der Schule für den Mord an Herrn Schirner infrage kommt?«
    »Nein.«
    »Das war’s schon, Sie können wieder in Ihre Klasse gehen. Und lassen Sie sich nicht unterkriegen, es kommt bald dieZeit, wo Sie Ihre Entscheidungen ganz allein treffen werden. Machen Sie’s gut, und schicken Sie mir bitte Frau Esslinger raus.«
    Brandt sah Kerstin Abele nach, wie sie mit müden Schritten wieder im Klassenraum verschwand, und kurz darauf kam Silvia Esslinger heraus. Als sie Brandt erblickte, war sofort wieder dieses spöttische Aufblitzen in ihren Augen. Sie setzte sich neben ihn. Der Duft eines edlen Parfüms umwehte sie. Silvia trug heute einen Minirock und hohe Stiefel. Sie schlug die Beine übereinander, wodurch der Rock noch höher rutschte und noch mehr von den langen Oberschenkeln freigab. Laszivität und Koketterie pur. Sie verstand es hervorragend, ihre reichlich vorhandenen Reize einzusetzen, und spielte mit der Erotik.
    »Sind Sie mit Frau Abele befreundet?«, fragte Brandt, der schon gestern diese Vermutung hegte und sie nun bestätigt haben wollte.
    »Ja, warum?«
    »Nur so. Ich

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