Tod eines Lehrers
jetzt fragen, woher ich das noch so genau weiß, aber es war ein denkwürdiger Abend. Details möchte ich Ihnen jedoch ersparen. Werde ich jetzt verdächtigt, ihn umgebracht zu haben?« Ihre Augen blitzten für einen Moment spöttisch auf, aber es hatte nichts Verletzendes.
»Ich verdächtige noch niemanden. Wie lange lief das zwischen Ihnen?«
»Ein knappes Jahr. Er hat wohl gemerkt, dass es mir nach meiner Scheidung nicht sonderlich gut ging, und ich war froh, jemanden zu haben, der mir zuhörte und auch sonst einiges gab. Und wenn Sie wissen wollen, ob ich diese Affäre bereue – nein, tue ich nicht. Er war verheiratet, und es war seine Entscheidung.«
»Was wissen Sie über seine Ehe? Er hat Ihnen doch sicherlich einiges darüber erzählt.«
Sie lächelte, als sie antwortete: »Ich habe seine Frau einmal kennen gelernt, und da wusste ich, dass zwischen den beiden nichts mehr lief. Absolut nichts. Sie haben sie doch auch gesehen und einen Eindruck von ihr gewonnen. Erst wollte ich es nicht glauben, wenn er erzählt hat, dass sie den ganzen Tag nur putzt und wäscht und bügelt, dass sie jeden Morgen, sieben Tage in der Woche, um genau dieselbe Uhrzeit aufsteht und jeden Abend um Punkt zehn im Bett liegt. Ich war dort gewesen, um mir ein paar Unterlagen abzuholen, und ich sage Ihnen, in diesem Haus hätte ich es keine fünf Minuten länger ausgehalten. Und er war fast fünfundzwanzig Jahre mit ihr verheiratet. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen, er war ihr intellektuell haushoch überlegen, und da ist es doch irgendwie logisch, wenn er sich jemanden sucht, mit dem er wenigstens ab und zu mal reden kann.«
»Das konnte er doch auch mit seinem Freund, Herrn Teichmann.«
»Ertappt«, sagte sie und lächelte wieder so liebenswürdig. »Natürlich haben wir auch miteinander geschlafen, sonst wäre es ja keine Affäre gewesen. Er war ein sehr zärtlicher Mann.«
»Und warum haben Sie dann diese Beziehung beendet?«
»Irgendwer muss das rausgekriegt haben.«
»Jemand aus der Schule?«
»Anzunehmen. Jedenfalls habe ich das gemerkt und kurzerhand beschlossen, die Sache zu beenden.«
»Hätten Sie denn Schwierigkeiten bekommen können?«
»Ich gehöre nicht zu den Menschen, die gerne auf Konfrontationskurs gehen. Ich wollte einfach einen Streit mit seiner Frau vermeiden. Wissen Sie, wenn die in der Schule das spitzkriegen, ist es nicht weit, bis es auch seine Frau weiß. Außerdem glaube ich nicht, dass er sich wirklich von ihr trennen wollte, obwohl er es immer wieder betont hat.«
»Und wenn er sich von seiner Frau getrennt hätte?«
»Gute Frage. Nein, ich hätte ihn nicht geheiratet, ich hätte nicht einmal mit ihm zusammenleben wollen.«
»Und warum nicht?«
»Er war achtzehn Jahre älter und hatte seine Macken. Ich hätte ihm zum Beispiel nie die Unterhosen oder die Socken gebügelt, ich hätte ihm nie sein Leibgericht Rheinischer Sauerbraten kochen können. Er war es aber gewohnt, diese Dinge von seiner Frau zu bekommen. Er war nicht glücklich mit ihr, aber er konnte auch nicht ohne sie leben. Mich hatte er zum Reden und fürs Bett. Und mehr wollte ich auch nicht.«
»Nachdem Sie Schluss gemacht haben, gab es da keine Probleme, wenn Sie sich in der Schule über den Weg gelaufen sind?«
»Nein, überhaupt nicht. Er hat meine Entscheidung akzeptiert, und das war’s.«
»Leben Sie wieder in einer Beziehung?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich will vorläufig mit Männern nichts zu tun haben. Nennen Sie es von mir aus einen Selbstfindungstrip.«
»Haben Sie sich jemals gestritten?«
»Ich sagte Ihnen doch schon, dass ich Streit aus dem Weg gehe, sofern es sich machen lässt. Und bei Rudolf war es nicht anders. Nur einmal sind wir uns in die Haare geraten, aber das war in der Schule und liegt schon lange zurück.«
»Eine andere Frage – hatte Herr Schirner außer mit Ihnen noch weitere Affären?«
»Keine Ahnung, aber ich würde es nicht ausschließen. Zumindest kursieren Gerüchte.«
»Aha. Und was für Gerüchte?«
»Da soll noch was mit einer andern Kollegin gelaufen sein.«
»Vor oder nach Ihnen?«
»Schon wieder ertappt … Nach mir. Ich kann es aber nicht beweisen.«
»Und dürfte ich auch den Namen der potenziellen Liebschaft erfahren?«
»Es sind doch nur Gerüchte, und ich will keinem was anhängen, was nicht stimmt«, versuchte sie sich herauszuwinden, was Brandt aber ignorierte.
»Ich kann die betreffende Dame doch fragen, ohne Ihren Namen zu nennen. Es ist alles
Weitere Kostenlose Bücher