Tod Eines Mäzens
schritt mannhaft vor ihm aus, während er sich mühsam hinter mir herschleppte.
Noch bevor wir den Circus umrundet hatten, fing Diomedes an zu humpeln. Ich zerrte ihn in mitleidlosem Tempo den Clivus Publicus hinauf zum Haus seines verstorbenen Vaters. Er war gut genug beisammen, nicht zu atemlos zu werden. Vor der Popina, wo die Skriptoriumsautoren gern was tranken, entdeckte ich Euschemon. Ich blieb stehen.
»Traben Sie schon mal zu Ihrem Tempel, Diomedes. Versuchen Sie jemanden zu finden, der für den Zeitpunkt, als Ihr Vater ermordet wurde, für Sie bürgen kann. Ich komme gleich nach.« Ein listiger Ausdruck tauchte in seinen braunen Augen auf. »Denken Sie erst gar nicht daran, abzuhauen«, teilte ich ihm kurz mit. »Flucht wird Sie als den Mörder brandmarken. Ich nehme an, dass selbst romanisierte Griechen die Strafe für Vatermord kennen?« Diese Strafe war so sensationell, dass die meisten Gebildeten davon gehört hatten. Die Einzelheiten wurden immer groß herausgestellt, wenn Touristen aus der Provinz sich Lobpreisungen über das römische Recht anhören mussten. Diomedes musste Bescheid wissen. Mit einem freundlichen Lächeln klärte ich ihn trotzdem auf. »Söhne, die ihre Väter töten, werden zusammen mit einem Hund, einem Hahn, einer Viper und einem Affen in einen Sack geschnürt und dann in den Fluss geworfen.«
Euschemon hatte ruhig und mit leicht zusammengekniffenen Augen zugesehen, wie ich den Sohn seines ehemaligen Arbeitgebers wegschickte. Er hatte von Diomedes stets eher mit Zurückhaltung als offener Ablehnung gesprochen, aber die beiden hatten sich jetzt nicht gegrüßt.
Der Skriptoriumsverwalter stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Cauponatresen ab und gönnte sich einen Becher mit etwas, das wie gekühlter Wein und Wasser aussah. Der Kellner hatte sich mit ihm unterhalten, jener dünne junge Mann, den ich schon mehrmals hier bedienen sehen hatte, mit einem Handtuch über der Schulter und einer Lederschürze. Ich schloss mich ihnen an und bat um einen Becher Fruchtsaft.
»Wie läuft’s, Falco?«
»Wir haben es fast geschafft. Ich möchte morgen ein paar letzte Vernehmungen durchführen, Euschemon. Dürfte ich Sie damit belasten, Vibia Merulla gegenüber zu erwähnen, dass ich die Bibliothek dafür brauche – und dass ich sie auch dort haben will? Sie ebenfalls, bitte.«
»Vibia ist zu Hause, wenn Sie mit ihr sprechen möchten.« Euschemon schien zu wissen, dass ich nur ungern mit ihr allein sein wollte.
»Leider habe ich wenig Zeit.«
Der Kellner brachte mir mein Getränk. Ich ließ Kupfermünzen auf sein Tablett fallen, wobei ich Blickkontakt zu vermeiden versuchte.
»Kennen Sie diesen jungen Mann?«, fragte mich Euschemon. Ich schüttelte den Kopf. »Er arbeitet hier, um sich ein wenig Geld zu verdienen. Wir haben gerade über seine Aussichten als Schriftsteller gesprochen.« Er schien noch mehr sagen zu wollen, aber der Kellner wurde verlegen, wandte sich ab und wischte um die Apfelpresse herum. Ich schaute ihn mir an. Er sah ganz gewöhnlich aus. Falls er wilde Träume hegte, war von kreativem Wahnsinn an ihm nichts wahrzunehmen.
Sich hier als Schankkellner abzurackern war harte Arbeit. Wie die meisten Popinae wurde auch diese als Vorraum für Zusammenkünfte mit billigen Prostituierten benutzt; sie bedienten ihre Kunden in zwei Räumen im oberen Stock. Der gemeißelte Steinfries, der ankündigte, dass diese Dienste hier zu haben waren, zeigte das übliche traurige Trio aus einem kleinen Kelch, einem kleinen Würfelbecher – und einem riesigen Phallus. Zweifellos konnte sich der Kellner ein Extratrinkgeld damit verdienen, Gäste mit dem Mädchen zusammenzubringen, das am jüngsten und vermutlich am wenigsten krank war.
Ich schenkte dem jungen Mann mit den optimistischen Hoffnungen ein wohlwollendes Lächeln. Dann wandte ich mich wieder an Euschemon. »Ich möchte Sie morgen fragen, wie es um die Zukunft der Skriptoriumsautoren steht. Und könnten Sie dafür sorgen, dass diejenigen, die wir zu dem Mord befragt haben, ebenfalls zu dem Treffen kommen?«
»Mach ich. Aber ich kann Ihnen schon jetzt sagen, wie die Situation aussieht. Vibia will das Geschäft weiterführen.«
»Haben Sie damit gerechnet?«
»Nein«, antwortete er leise. Er merkte genau, dass ich ihn testen wollte. Gab das Schicksal des Skriptoriums ihm – oder Vibia – ein Motiv für Chrysippus’ Tod? »Ich hatte angenommen, Vibia würde verkaufen, um ehrlich zu sein. Wahrscheinlich war sie selbst
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