Tod Eines Mäzens
sonst …«
Er machte sich Sorgen. Das passte mir gut. Wenn ich den Fall löste, würde er erleichtert und dankbar sein.
Nachdem ich mich vergewissert hatte, alles bedacht zu haben, sprang ich aus dem Bett, steckte meine Notizen in eine Tasche an meinem Gürtel und zog meine Lieblingsstiefel an. »Wo gehst du hin?«, fragte Petro. Er wollte am liebsten mitkommen, war aber noch zu käsig.
»Weg!«
»Ach, hör doch auf, Falco.«
Als Kranker langweilte er sich stets zu Tode; ich hatte Mitleid mit ihm. »Hör zu, Tribun, ich mache Fortschritte …«
»Obwohl du nicht weißt, wer Chrysippus ermordet hat, und nicht beweisen kannst, wer Avenius erhängt hat?«
»Pedantisches Schwein. Wahrscheinlich werden wir die Ritusii nie für die Sache mit Avenius drankriegen, das weißt du genau. Professionelle Schläger hinterlassen keine Spuren, und Lucrio ist gerissen. Er weiß, dass er nur auf Dauer den Mund halten muss, um damit durchzukommen, die Burschen angestellt zu haben. Wenn er es überhaupt war. Es könnte auch Lysa gewesen sein.«
»Und was passiert jetzt?« Petronius runzelte die Stirn.
»Ich muss fast allen Verdächtigen und Zeugen noch ein oder zwei Fragen stellen. Um mir zu ersparen, wie eine durchgeknallte Ameise in dieser Sommerhitze herumzuflitzen, werden ich sie alle gemeinsam zu einer großen Vernehmungsrunde einbestellen.«
»Ich will dabei sein, Falco.«
»Ganz ruhig, mein Junge! Natürlich wirst du dabei sein. Ich will, dass du zuschaust, wie ich den Verbrecher triumphierend demaskiere.«
»Und wohin gehst du jetzt?«, insistierte er.
»Ich muss noch ein letztes Alibi überprüfen.«
Doch erst mal legte ich den Finger auf Helenas Schriftrolle, gerade als sie die nächste Spalte aufrollen wollte. Sie funkelte mich an, begierig darauf, weiterzulesen. »Lass das, oder ich beiß dich!«
Rasch hob ich den Finger hoch. »Das hier ist also wirklich gut?«
»Ja, Passus hatte Recht. Der Roman ist ausgezeichnet. Ganz anders als das erste unsägliche Ding, das ich für dich gelesen habe.«
»Und es sieht wie das ursprüngliche Manuskript des Autors aus?«
Helena wedelte ungeduldig mit dem Papyrus, und ich sah, dass es in einer schwierigen Schrift geschrieben und mit Änderungen übersät war. Trotzdem las Helena es sehr schnell. »Ja, es ist so bekleckst wie von einem Kind, das gerade das Alphabet lernt. Und jemand hat alle möglichen alten Dokumente zusammengeklebt, um eine Schriftrolle daraus zu machen. Sogar ein paar Kochrezepte sind dabei.«
»Für gefüllte Weinblätter?«
»Kichererbsenmus. Gehst du aus, Marcus?«
»Zur Andacht in einen Tempel.«
Helena fand Zeit für ein Lächeln. »Deine Gänse auf dem Kapitol, Prokurator?«
»Nein, der Chrysippus-Fall.« Im Hintergrund schnaubte Petronius. »Ich bin rechtzeitig zurück, um Abendessen für dich und den Simulanten zu kochen. Genieß du nur deinen spritzigen Abenteuerroman. Wenn ich für das Essen was einkaufe, soll ich dann Marius mit einrechnen?«
»Nein. Maia hat ihn mit heimgenommen.«
»Sie will ihre Brut dort, wo sie sie sehen kann.«
»Eigentlich hätte sie gerne etwas Zeit für sich. Aber Junia hat beschlossen, für jemanden etwas Nettes zu tun. Sie fährt mit Gaius Baebius nach Ostia.« Gaius arbeitete in Ostia als Aufseher der Zollbeamten. »Sie hat angeboten, alle Kinder mitzunehmen, damit sie im Meer schwimmen können.«
»Junia an einem Strand? Mit einem Schwarm kleiner Gören? Und sie werden dort übernachten müssen!« Zweifel befiel mich. »Fährt Maia auch mit?«
»Ich glaube nicht«, erwiderte Helena hinterhältig. Ich schaute zu Petro, und wir machten beide ein finsteres Gesicht. Helena hielt den Blick auf die Schriftrolle gerichtet. »Das Ganze hat den Zweck, Maia allein ein bisschen zur Ruhe kommen zu lassen.«
Allein? Oder um ein paar köstliche Augenblicke mit ihrem Bewunderer Anacrites zu teilen?
IL
Der Tempel der Minerva auf dem Aventin lag ganz in unserer Nähe, aber ich kann nicht behaupten, dass ich oft hierher kam. Da ich jetzt begonnen hatte, über die Tempel in unserer Umgebung nachzudenken, fiel mir ein, dass der Aventin eine uralte Kultstätte war. Einst hatte er außerhalb des Pomerium gelegen, der offiziellen Stadtgrenze, die von Romulus mit dem Pflug gezogen worden war. Diese ursprüngliche Ausschließung hatte es ermöglicht, hier Schreine zu errichten, die für unsere Vorväter eine ferne, fremdartige Mystik besaßen. Auf den ruhigeren Plätzen des modernen Aventin war ihre historische
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