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Tod Eines Mäzens

Titel: Tod Eines Mäzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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abgewimmelt zu werden. Daher weigerte ich mich, aufzugeben. »Weißt du, wo mein lieber Papa hingegangen ist oder wann dieses außerordentliche Stück Mulischeiße zurückzukommen gedenkt?«
    Noch verängstigter als zuvor, flüsterte der Bursche: »Er ist seit der Beerdigung nicht mehr hier gewesen.«
    Dieser zitternde Irre hatte es darauf abgesehen, mich aus der Fassung zu bringen. Behinderung war in meinem Beruf üblich und auch eine regelmäßige Reaktion meiner Familie. »Wer ist denn tot?«, schikanierte ich ihn fröhlich.
    »Flora«, antwortete er.
    Es hatte nichts mit mir zu tun, und doch wusste ich, dass ich am Ende trotz allem hineingezogen werden würde.

VI
     
     
    Es gab kein Entkommen. Ich musste jetzt quer durch die Stadt zu dem öffentlichen Gebäudekomplex neben dem Marsfeld, wo Papa in den Saepta Julia sein Lager und sein Büro hatte. Dieser zweistöckige Bau mit einer offenen Arena in der Mitte, wo man alle Arten von billigem Schmuck und Nippes kaufen oder sich bei Möbeln und so genannter Kunst von Meistern der Auktionatorbruderschaft wie meinem Papa übers Ohr hauen lassen konnte. Außer man war ganz wild darauf, aus fünfter Hand den Klappthron eines Generals zu erwerben, dem ein Bein fehlte (dem Thron, nicht dem General), ließ man seine Geldbörse lieber zu Hause. Andererseits, wenn man sich sehnlichst eine billige Reproduktion der Venus von Kos wünschte, mit schief angeklebter Nase, war das hier der richtige Ort. Man würde sie sogar einpacken und erst über die Leichtgläubigkeit des Käufers lachen, wenn der fast den Laden verlassen hatte.
    Marcus Didius Favonius, umbenannt in Geminus, als er von zu Hause durchgebrannt war, der väterliche Vorfahr, nach dem ich mein Leben und meinen Charakter ausrichten sollte, hatte sich immer gern in einem Wirrwarr verkrochen. Ich bahnte mir den Weg durch das Lager, wurde von Staub bedeckt und holte mir einen gewaltigen Bluterguss von einem unangebundenen mannshohen Kandelaber, der umfiel, als ich daran vorbeiging. Ich fand meinen Vater zusammengesunken vor den aufgehäuften Teilen mehrerer Metallbettrahmen hinter einer kleinen, steinernen Artemis (kopfüber in einem Sack Töpferwaren, aber man konnte sehen, dass sie es mit der Jagd hatte), die Füße auf einer entsetzlichen pharaonischen Schatztruhe. Zum Glück trug er keine Stiefel. Das würde die kitschigen Türkise und den Goldlack vor Kratzern bewahren. Er war nicht betrunken, war es aber offensichtlich gewesen. Mehrere Tage lang.
    Wie es in offiziellen Depeschen heißt, der Illustre begrüßte mich mit meinem Namen, und ich erwiderte seinen Gruß.
    »Verpiss dich, Marcus.«
    »Hallo, Papa.«
    Die dreckige Tunika, die um seine füllige zusammengesunkene Gestalt hing, hätte selbst auf dem Flohmarkt niemand mehr aus dem Abfallkorb gefischt. Seine Stoppeln waren lang genug, um zu erkennen, dass der Bart dunkler werden würde als seine schlaffen grauen Locken. Von dem berühmten verführerischen Grinsen war keine Spur zu entdecken.
    »Du hast sie also verloren«, sagte ich. »Das Leben stinkt.« Ich sog die abgestandene Luft ein. »Und das Leben ist nicht das Einzige, was hier stinkt. Das soll wohl der lange Abstieg in finanziellen Ruin und persönliche Ausschweifungen werden, was?«
    »Du wählst also die harte Gangart für die trauernden Hinterbliebenen«, greinte er.
    Ich hatte bereits von Gornia, seinem langjährigen und treu ergebenen Oberträger, gehört, dass das Geschäft gelitten hatte, seit Flora vor einer Woche unerwartet im Schlaf verschieden war. Jetzt gab es beunruhigte Käufer, die Haare raufend auf ihre Lieferung warteten, und ungehaltene Verkäufer, die ihre Waren woandershin trugen. Die Lagerarbeiter waren nicht bezahlt worden. Papa hatte mit drei Monate alten Rechnungen ein Feuer entzündet und bei dieser Geste gegen die Sinnlosigkeit des Lebens einen Schwung Elfenbeinschnitzereien stark angesengt. Gornia war gerade noch rechtzeitig mit dem Wasserschlauch gekommen. Die Elfenbeinschnitzereien waren so beschädigt, dass selbst der fähigste Fälscher in Papas Diensten sie nicht mehr retten konnte. Gornia sah müde aus; er hatte sich zwar loyal verhalten, würde dieses Pathos aber wohl nicht mehr lange ertragen.
    »Geh in die Thermen und zum Barbier, Papa.«
    »Verpiss dich«, wiederholte er, ohne sich zu bewegen. Aber dann raffte er sich doch zu einem kleinen rhetorischen Gedankenflug auf: »Und sag mir nicht, dass Flora es so gewollt hätte, weil Flora einen großen Vorteil besaß –

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