Tod Eines Mäzens
wäre das hohe Kunst …«
»Meine Lesung war nur auf Einladung, und Domitian Cäsar war anwesend«, erwiderte ich gekränkt.
Dann ging ich.
VII
Papas aufgelöster Zustand war etwas, worüber ich nachdenken musste. Die befriedigendste Lösung dafür war, es mittels einer anderen Tätigkeit zu vergessen.
Ich beschloss trotz allem, mich in Chrysippus’ Skriptorium zu begeben und mir die Sache mal anzusehen. Auf dem Rückweg von Papas Lager in den Saepta Julia zum Aventin konnte ich ohne weiteres einen kleinen Abstecher zum Forum machen. Ich konnte bei meinem bevorzugten Gymnasium vorbeischauen und mich von meinem Trainer in die Mangel nehmen lassen. Und wenn Glaucus damit fertig war, meinen Körper auf Vordermann zu bringen, konnte ich immer noch meinem intellektuellen Streben nachgehen.
Anschließend ging ich, da sich Glaucus’ Gymnasium hinter dem Tempel des Castor befand, an dem berühmten alten Unternehmen der Brüder Sosii vorbei, die die Werke von Horaz verkauft hatten, um zu sehen, wie es bei einem anständigen Schriftrollenhändler ausschaute.
Glücklicher alter Horaz. Maecenas als Patron, ein geschenktes sabinisches Landgut (ich besaß selbst eins, hatte dafür aber ordentlich blechen müssen), Reputation und Leserschaft. Und als die Sosii Horaz versprochen hatten, seine Werke in einem Laden mit erstklassiger Lage zu verkaufen, hatten sie von einer Ecke des Vicus Tuscus am Rand des Forum Romanum gesprochen. Angrenzend an die Basilica, im Herzen des öffentlichen Lebens, war dies eine berühmte Straße voll teurer Geschäfte, über die regelmäßig die Festprozessionen auf dem Weg vom Kapitol zu den Spielen zogen. Sie mussten echte Laufkundschaft haben, im Gegensatz zu der, die Aurelius Chrysippus angeblich auf der falschen Seite des Circus anzog. Das ausgeblichene Schild zeigte, dass der Schriftrollenladen der Sosii schon seit Generationen ein fester Bestandteil war, und die ausgetretene Schwelle bewies, wie viele Käuferfüße über sie getreten waren.
Als ich schließlich am Clivus Publicus die Lage peilte, waren die einzigen Passanten, denen ich begegnete, eine alte Frau, die mit einem schweren Einkaufskorb heimwärts schlurfte, und eine Gruppe junger Burschen, die auf ein tatteriges Opfer lauerten, das sie überfallen, umstoßen und beklauen konnten. Bei meinem Anblick machten sie sich sofort dünn. Die klapprige alte Oma hatte keine Ahnung, dass ich sie vor einem Straßenraub bewahrt hatte; sie murmelte etwas Unfreundliches und tappte weiter die Straße entlang.
Der Clivus Publicus beginnt als steiler Hang, der vom Ende des Circus im Winkel an der Nordflanke des Aventin hinaufführt. Während er ansteigt und flacher wird, windet er sich um einige Ecken, bevor er an einer ruhigen Gipfelpiazza endet. Es war immer schon ein abgeschiedenes Viertel, zu weit vom Forum entfernt, um das Interesse von Außenseitern anzuziehen. Von einer Seite der Straße aus hat man einen fantastischen, aber kaum bekannten Blick über das Tal des Circus Maximus. Als ich mich umschaute, entdeckte ich einige kleine Läden, in denen nicht viel los sein konnte, und dahinter erhaschte ich einen Blick auf Bäume in den Gärten, die zu sorgsam abgeschirmten großen Häusern gehören mussten. Der Clivus war eine öffentliche Straße, vermittelte aber ein Gefühl von Isolation, das selten war.
Wenn man auf dem Aventin lebt, ist das lange Tal des Circus Maximus fast immer ein Hindernis auf dem Weg zu einem anderen Teil Roms. Ich muss hunderte Male den Clivus Publicus hinabgegangen sein. Ich war am Schriftrollenladen von Chrysippus vorbeigekommen, hatte ihn aber nie meiner Aufmerksamkeit für wert befunden, obwohl ich gerne las. Die saubere, ruhige Fassade war mir durchaus bekannt, aber die Angestellten standen gern auf der Schwelle herum wie abschreckende Kellner vor einer Hafencaupona, wo der Fisch schon viel zu lange im Sud liegt. Da ich lieber bei fliegenden Händlern herumstöberte (und in den Tagen, als ich kein Geld hatte, kostenlos las), hatte ich in den Laden nur bis dorthin reingelinst, wo die zum Verkauf stehenden Schriftrollen in ungleichmäßigen Stapeln auf soliden alten Regalen lagen. Als ich jetzt eintrat, sah ich, dass es auch Kästen gab, vermutlich für die besseren Werke, die auf dem Boden unterhalb der Regale standen. Es gab einen hohen Hocker und einen Ladentisch, auf den man die Ellbogen stützen konnte, während man sich das Angebotene zu Gemüte führte.
Ein freundlicher, redegewandter Verkäufer
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