Tod Eines Mäzens
allzu lange davon abhalten. Ich hatte nichts Neues zu berichten. Von dem Tratsch über Papa hatte sie schon gehört. Dass Chrysippus ein Reinfall war, überraschte sie nicht. Unsere Kleine machte einen Spaziergang mit einer Sklavin, die Helenas Mutter ihr geliehen hatte, was aber nicht bedeutete, dass ich die Chance hatte, mit meinem Weib ins Bett zu gehen.
»Wenn ich ins Bett gehe, schlafe ich ein, Marcus.«
»Ich nicht.«
»Das denkst du«, erwiderte sie brutal.
Sie wollte nicht mit mir zu Hause bleiben, so viel war klar. Sie wollte ausgehen. In eine Weinschenke, verkündete sie. Das sah Helena überhaupt nicht ähnlich. Aber ich war gescheit genug, keinen Kommentar abzugeben oder in Panik zu geraten, ganz zu schweigen von Protestieren. Sie funkelte mich an. »Du solltest besser mitkommen.«
»Das ist ja aufregend. Eine Frau, die sich wie ein männlicher Halunke benimmt? Lass mich mitspielen! Wir können uns zusammen betrinken.«
»Ich habe nicht vor, mich zu betrinken, Marcus.«
»Spielverderberin.«
Aber das war vermutlich ein weiser Vorsatz, denn die Weinschenke, die sie ausgesucht hatte, war Floras Caupona. Dort eine Flasche zu bestellen, war der erste Schritt, auf der Totenbahre mit Öl besprenkelt zu werden.
»Helena, du bist doch immer noch abenteuerlustig.«
»Ich wollte nur sehen, was hier vorgeht.«
Ihre Neugier wurde bald befriedigt. Wegen des Todes der Besitzerin war das Flora geschlossen.
Einen Augenblick lang blieben wir an der Straßenecke stehen. Zwirn, der Cauponakater, hielt momentan die abgesplitterte Bank vor dem verrammelten Tresen besetzt; zwischen uns lief eine jahrelange Fehde, und er spuckte mich an. Ich spuckte zurück.
Das Flora, eine Kneipe, die mein Papa seiner Freundin gekauft hatte, war ein so anspruchsloses Esslokal, dass es von den örtlichen Schutzgelderpressern kaum beachtet wurde. Früher, als im Flora die grausigsten heißen Eintöpfe Roms serviert wurden, hatte ich hier öfter getrunken. Nach einem besonders brutalen Mord in einem der Zimmer über der Caupona hatte das Lokal eine kurze Zeit floriert, dann war es wieder zu einer trüben Kaschemme für bankrotte und gebrochene Männer geworden.
Das Flora hatte durchaus einige Vorteile. Zum einen die gute Lage. Außerdem hatte Gutwilligkeit zum Geschäft beigetragen. Die Gäste waren beharrlich treu – traurige Müßiggänger, die ungewaschene Schalen mit lauwarmer Brühe hinnahmen, in der halb versunken Fleischknorpel schwammen wie übernatürliche Ungeheuer in einer mythologischen Erzählung. Diese unerschrockenen täglichen Gäste hielten auch den Wein aus, der einem die Zunge lila färbte und sich zusammen mit der klebrigen Brühe wie eine dicke Schicht auf den Gaumen legte. Sie würden ihren mittäglichen Zufluchtsort nie aufgeben, vor allem, weil sie wussten, dass es auf dieser Seite des Aventin nicht viele gab.
Direkt gegenüber befand sich ein Konkurrent – ein anständiger, sehr sauberer Imbissladen mit Namen Valerius. Niemand ging da hin. Die Leute befürchteten, dass sie von der Reinlichkeit Ausschlag bekamen. Außerdem geht niemand in ein Lokal ohne Atmosphäre. Die mürrischen Gäste des Flora wollten dort sitzen, wo andere Asoziale hockten, die sie standhaft ignorieren konnten.
»Wir können auch im Valerius was Nettes essen, Herzblatt.«
»Ums Essen geht es nicht, Falco.«
Helena entschied dann, Maia zu besuchen. Auch gut. Sie wohnte in der Nähe, und es war meine Pflicht als Bruder, sie in ihrer Trauer zu trösten. Ich wollte ihr den Tratsch über Papa und Flora erzählen, bevor es meine anderen Schwestern taten. Außerdem gab sie uns vielleicht was zu essen.
Mit Abscheu sah ich, dass Anacrites bei unserer Ankunft gerade Maias Haus verließ. Vielleicht hatte er ihr eine Botschaft von Mama überbracht. Ich schlüpfte um eine Säule und versteckte mich hinter einer Austerntonne. Helena warf mir wegen meiner Feigheit böse Blicke zu und ging mit einem kühlen Nicken an ihm vorbei, bevor er sie ansprechen konnte. Sie war immer höflich zu dem Spion gewesen, besonders, während er und ich als Partner für den Zensor gearbeitet hatten, aber er schien zu wissen, dass er sich hier auf Zehenspitzen über schwankendem Boden bewegte. In der Annahme, sie sei allein gekommen, ließ er sie vorbeigehen und verschwand.
Anacrites beim Haus meiner Schwester zu sehen, war irritierend. Er hatte keine wirkliche Verbindung zu meiner Familie, und mir lag daran, es so zu belassen. Es gab keinen Grund für ihn, weiter
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