Tod eines Tenors
die klare, frische Luft einatmend. Heute konnte man den salzigen Geruch des Meeres riechen. Er schaute zu den rasenden Wolken hinauf. Hoffentlich waren das keine Vorboten eines Sturms, ausgerechnet jetzt zum Wochenende. Er freute sich wirklich auf den Tag mit Bronwen.
Seine Freundschaft mit der jungen Lehrerin hatte sich vertieft, und im Dorf wurde bereits wild spekuliert, obwohl sie gerade einmal eine Hand voll Verabredungen miteinander gehabt hatten.
Sie hatten für den nächsten Tag eine lange Bergtour geplant - wenn das Wetter mitmachte.
Schließlich war es nicht die Art von Gelände, das man gerne bei Regen in Angriff nahm, denn es war stellenweise sumpfig und so hoch gelegen, dass es meist in Wolken lag. Aber wenn der Wind weiterhin so heftig blies, würde er all diese bedrohlichen Wolken vertreiben.
Er schaute auf seine Armbanduhr. Mrs. Williams, seine Vermieterin, wartete sicher schon mit dem Mittagessen auf ihn und würde erbost sein, wenn er es kalt werden ließe. Es war Freitag, das hieß wahrscheinlich Fisch.
Mrs. Williams war in der Gestaltung ihres Speiseplans sehr berechenbar. Er hoffte, es würde gegrillter Hering sein. Zu dieser Jahreszeit gab es wunderbar frische Heringe, und Mrs. Williams bereitete sie perfekt zu: außen schön knusprig, innen saftig und manchmal sogar mit einem noch weichen, rohen Kern. Mrs. Williams war eine wundervolle Köchin und schien der Auffassung zu sein, Evan würde verhungern, wenn er nicht drei üppige warme Mahlzeiten am Tag bekäme - und natürlich Tee, wenn er denn einmal zum Tee daheim war.
Er verschloss die Stationstür und machte sich auf den Weg zu Mrs. Williams Cottage, die Vorfreude ließ ihm schon das Wasser im Mund zusammenlaufen.
»Bore da, Evans-das-Gesetz«, rief Roberts-der-Tankwart von seiner Garage nebenan herüber.
»Bore da, wie läuft das Geschäft?«, fragte Evan.
»Kann nicht jammern. Viele Touristen unterwegs in dieser Jahreszeit. Natürlich kennen wir alle eine Person, die trotzdem klagt, stimmt's?« Er lachte und deutete auf den Metzgerladen gegenüber.
»Evans-der-Fleischer würde eine verdammte Mauer um das Dorf ziehen, wenn er dürfte ... und nur Leute durchlassen, die Walisisch sprechen.«
Evan lächelte. Er kannte die feste Überzeugung von Evans-dem-Fleischer nur allzu gut, wonach Fremde in Wales nichts zu suchen hätten.
In diesem Moment vernahm er von weiter oben an der Dorfstraße laute Stimmen. Er hörte interessiert hin. Englisch, nicht Walisisch, wahrscheinlich Touristen. Die Stimme einer Frau hatte sich zu einem Schrei gesteigert. Evan zögerte, dann lief er die Straße hinauf. Ein junges Mädchen versuchte, sich aus dem Griff eines jungen Mannes zu befreien.
»Hey!«, rief Evan, aber in diesem Augenblick riss sich das Mädchen los, rannte zu einem kastanienbraunen Vauxhall Vectra und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Der junge Mann schrie ihr noch etwas nach, ging dann wieder in den Vorgarten zurück und verschwand in den Büschen. Ehekrach oder etwas Ernsteres? fragte sich Evan. Und erst jetzt bemerkte er überrascht, dass der Vorgarten zum Powell- Jones-Haus gehörte.
»Was war denn da los?«, fragte Roberts-der-Tankwart, als er die Straße wieder herunterkam.
Evan zuckte die Achseln. »Das werden wir wohl nie erfahren. Sie sind beide gegangen, als ich kam.
Und ich glaube auch nicht, dass mich das was angeht, mal abgesehen von der Geschwindigkeitsübertretung. Aber zu Fuß kann ich sie wohl schlecht verfolgen.«
»Sie sollten dir einen Streifenwagen geben«, meinte Roberts-der- Tankwart. »Ich hätte da einen hübschen gebrauchten Ford Granada, wenn du sie dafür interessieren kannst.«
Evan kicherte. »Es ist schon schwer genug, ihnen neue Büroklammern abzuschwatzen. Und außerdem besteht der Zweck meines Einsatzes ja darin, meine Kontrollgänge zu Fuß zu machen.«
»Und ein Auge auf all die schlimmen Verbrechen in Llanfair zu haben«, lachte Roberts-der-Tankwart. »Schaffst du das, bach Evan?«, fragte er, obwohl »kleiner Evan« kaum die treffende Beschreibung für einen einsachtzig großen, kräftigen Mann war, der Berge bestieg und Rugby spielte.
Evan lächelte, grüßte und ging weiter. Er wusste, dass diese Einschätzung von den meisten Dorfbewohnern geteilt wurde - er hatte einen gemütlichen Job mit wenig Arbeit. Gleichzeitig wusste er, dass sie froh waren, ihn hier zu haben.
»Sind Sie's, Mr. Evans?«, tönte Mrs. Williams hohe Stimme aus der Küche. Immer dieselbe Begrüßung, obwohl sie
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