Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
Station Landungsbrücken einfuhr. Ein Kreuzfahrtschiff, das im Hafen lag und das es zu bestaunen galt.
Gerry hatte die Hand auf der Schulter gespürt, kaum dass die Bahn sichtbar geworden war, und sich zu entwinden versucht. Was erwartete er? Einen Stoß? Einen Spruch aus der Bibel? Welche ich liebe aber, die strafe und züchtige ich?
»Deine Großmutter ist krank«, sagte der Anorakmann.
Was hatte Gerry am ersten Abend zu Vera und Nick gesagt?
Meine Großmutter würde mich lieber tot sehen, als mich so leben zu lassen, wie ich bin.
Würde er sie lieber tot sehen?
»Warum haben Sie versucht, mich vor den Zug zu stoßen?«
Der Anorakmann sah ihn erstaunt an.
»Damals«, sagte Gerry.
»Geh zu ihr.«
»Ich habe ein Telefon«, sagte Gerry, »können Sie nicht telefonieren?«, Nein. Das konnten sie nicht. Das wusste er. Sie wollten einem in die Augen sehen.
Augen sind die Spiegel der Seele.
Silberne Schuhe hatte er zurücklegen lassen. Die wollte er jetzt abholen in der Stadt. Veras passten ihm nicht. Gerry hatte kleinere Füße.
Sollte er das diesem grauen Mann sagen? Silberne Schuhe?
Die Vorrang hatten vor der Großmutter?
Gerry hätte fast gelacht. »Ich gehe zu ihr«, sagte er.
Es kam vor, dass sie ihn unter Druck setzte mit Krankheit. Doch es geschah eher selten. Sie war ein zäher Brocken, der mit anderen Mitteln arbeitete.
Was fehlte ihr? Sorgte er sich?
Gerry kehrte um. Ging den Bahnsteig entlang. Die Treppe hinunter. Wandte sich dem Baumwall zu. Dann zum Michel hinauf. In dessen Schatten war er groß geworden.
Sankt-Michaelis-Kirche. Diese Zugehörigkeit hätte Gerry ertragen können.
Nicht wirr, wie die Gemeinde seiner Großmutter es war. Nicht elendig fordernd. Böses androhend für jeden, der vom Pfad abkam. Wessen Pfad?
Er war ein Glanz. Wie gut, das zu wissen, wenn er gleich eintauchte in die dunklen drei Zimmer, die anfingen nach Alter und Verfall zu riechen.
Hauke Behn hatte eine große Thermoskanne dabei, als er in Pits Büro trat. Bester Kaffee von Anni darin. Kein Vergleich zu der Plörre, die Pit aus dem Automaten holte.
»Ein Bestechungsversuch«, sagte Pit.
»Habe ich den nötig?«, fragte Behn.
»Weinhändler. Du läufst in dein Unglück.« Warum war er nur so negativ? Ein fieser Anflug von Neid?
»Geht doch nichts über Freunde, die einen aufzubauen verstehen«, sagte Hauke Behn.
»Tut mir Leid«, sagte der Herr Hauptkommissar. Er drückte eine Hand gegen die Stirn. Sollte er das Aspirin vor oder nach dem Kaffee nehmen?
»Verkatert?«
Pit schüttelte den Kopf. »Überfordert«, sagte er, »von nicht identifizierten Toten.« Warum gab es keine Ausweispflicht für Gewaltopfer?
»Das kleine Skelett gehört nicht dem Jungen, den ihr seit März sucht?«, fragte Behn.
»Nein. Und ich habe keine Ahnung, ob ich mich darüber freuen soll. Nun haben wir ein totes und ein vermisstes Kind.«
»Das andere ist auch ein Junge?«
Pit Gernhardt nickte. »Auch etwa zehn«, sagte er.
»Dass ihn keiner vermisst«, sagte Behn. Er dachte an Theo, der zehn Jahre alt war. Sinn seines Lebens.
»Wenn du je gezweifelt hast an deiner Entscheidung, dann bist du nun von ihrer Richtigkeit überzeugt, nicht wahr?«
»Und du?«, fragte Hauke Behn.
»In diesen Zeiten Beamter zu sein, ist nicht das blödeste.«
»Nein«, sagte Behn. Es kam vor, dass er in der Nacht wach wurde und genau das dachte. »Ich will ein anderes Leben für Theo und mich«, sagte er.
»Und Vera? Die kommt doch auch drin vor.«
»Ja«, sagte Behn. Warum mussten er und Pit dieselbe Frau lieben. Als ob es sonst keine gäbe.
»Du glaubst, eine Chance bei ihr zu haben? Ich meine für eine Beziehung von Dauer?«, Pit klang noch immer bitter.
Er störte sich selbst daran.
»Ich versuche, noch nicht an Dauer zu denken«, sagte Behn. Er dachte an eine Hochzeit auf Amrum. Telsche an seinem Arm. Kleine Kinder hatten Blumen gestreut.
Hatte er damals sich anderes vorstellen können als Dauer?
»Gib mir noch einen Kaffee«, sagte Pit.
»Anni wollte mir Butterkuchen für dich mitgeben, doch ich habe ihn vergessen.«
»Anni fehlt mir«, sagte Pit, »bei ihr in der Küche zu sitzen.«
»Du bist da ein gern gesehener Gast.«
»Und du bald der Hausherr?«
»Natürlich nicht«, sagte Behn. »Ich habe mir eine Wohnung angeguckt. Theo soll sie noch begutachten.«
»Ein gern gesehener Gast«, sagte Pit. Er trank einen Schluck, und ihm kam die Erinnerung an die erste Begegnung mit Behn. Den guten Kaffee, den Hauke in Tassen aus
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