Tod eines Träumers (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
sich was für einige Zeit. Überall ist Ewigkeit.«
Gerry sang und sah den Herrn Notar im Publikum sitzen.
Und es klingelte doch noch an Veras Tür. Später am Abend. Gerade in dem Augenblick, als Vera aufbrechen wollte, um Gerry zu hören und ihn zu sehen in seinem Glitzertau.
Vera war ohne Zweifel zu aufgetakelt für die kleine Bar um die Ecke, in die Hauke sie führte. Für eine Hafenspelunke mit Gesang war ein ärmelloser Schlauch aus schwarzem Kaschmir, der am Körper klebte, auch nicht gerade typisch, schon gar nicht mit langen Handschuhen, doch Vera hatte auf Gerrys Glanz noch einen anderen setzen wollen. Schadete nicht, den Laden aufzuwerten. Dass du laufen kannst in diesen Schuhen, hatte Hauke Behn gesagt. Kein guter erster Satz. Annis heftiges Nicken machte das kaum besser. Sie führte schon seit Jahren einen aussichtslosen Kampf gegen Veras Stilettos. Brach sich noch den Hals, das Kind. Konnte ja nicht jeder in einem Rollkragenpullover unterm Wolljackett und mit Cordhosen herumlaufen. Vera holte zu einer bissigen Bemerkung aus, doch sie musste zugeben, dass seine rustikale Erotik sie nicht kalt ließ.
Behn warf einen Blick auf die Schiefertafel, auf der die Weine des Tages angeboten wurden. »Wäre dir ein Chianti Classico recht?«, fragte er. »Ein Castello di Ama?«
Vera sah ihn verblüfft an und betrachtete die neue Seite an ihm. Hauke Behn lächelte ihr zu.
»Ein Roter tut uns gut«, sagte er, »du in deinem leichten Kleid. Ist doch auf einmal herbstlich geworden.«
»Kaschmir wärmt«, sagte Vera. »Du kennst dich aus mit toskanischen Weinen?«
»Ich habe die letzten Tage damit verbracht, Jancis Robinsons Weinkurs zu lesen«, sagte Behn. Engelenburg hatte ihm dieses Buch empfohlen. Der ideale Zugang zur Welt des Weins, hatte er gesagt.
»Jancis Robinsons Weinkurs«, sagte Vera. Irgendwie hatte sie auf einmal ein komisches Gefühl. Das war sonst Anni vorbehalten.
Hauke Behn legte die Hände um das hohe Glas, kaum dass es vor ihn hingestellt wurde.
»Ist der Wein zu kalt?«, fragte Vera.
»Nein. Ich bin zu verlegen.«
Vera hob das Glas und trank ihm zu.
»Die ganze Wahrheit bitte«, sagte sie. Was glaubte sie? Dass das eine Trennung werden sollte?
Ein Heiratsantrag?
»Ich liebe dich, Vera.«
So fingen Männer immer an. Egal, ob sie sich trennen wollten oder heiraten.
Behn atmete tief und nahm Anlauf. »Ich verlasse Brandum«, sagte er, »und den Beruf des Polizisten.«
Er hatte Veras volle Aufmerksamkeit. Vielleicht hoffte er, dass Vera hineinplatzte in diese Pause, die er ließ.
Eine kleine Aufgeregtheit. Freudige Erwartung.
»Wo werdet ihr leben?«, fragte sie und klang gelassen.
»In Hamburg. Theo freut sich wie Bolle.«
»Ist die Kleine der Grund? Die Achtjährige, die ihr tot auf dem Dachboden gefunden habt?«
»Ich sollte das aushalten, nicht wahr? Ich habe schon meine tote Frau am Strand liegen sehen.«
»Vielleicht ist es jetzt einfach genug Entsetzen«, sagte Vera.
»Vor der Gefahr des Entsetzens wird mich auch ein Leben als Weinhändler nicht bewahren.«
»Nein«, sagte Vera. »Wie kommst du auf Weinhändler?«
»Weil das lebenswert ist und friedlich und heiter. Hoffe ich.«
»Hat ein genusssüchtiger Holländer das ausgeheckt?«
»Weinhändler zu werden, hat Engelenburg vorgeschlagen. Der Wunsch, ein anderes Leben zu leben, war vorher da. Wie kommst du auf Engelenburg?«
»Ich habe euch heute Nachmittag vorm Haus stehen sehen.«
»Wir haben uns einen Laden angeguckt. Poelchaukamp.«
»Sehr nah«, sagte Vera.
»Zu nah?«
Vera nahm einen Schluck Wein. »Spiele ich eine Rolle in deinem Entschluss, ein anderes Leben zu leben?«, fragte sie.
»Die Hauptrolle«, sagte Hauke Behn.
»Habt ihr schon eine Wohnung?«
»Eine in Aussicht.«
»In der Nähe?«
»Ja«, sagte er.
»Versuchen wir es«, sagte Vera und fing sehr vorsichtig an, sich zu freuen.
»Noch einen Castello di Ama?«
«Fährst du nicht nach Hause?«
Behn schüttelte den Kopf. »Theo ist bei Frau Broder, und ich schlafe bei Engelenburg.«
»Warum nicht bei mir?«
»Ich wollte dich nicht bedrängen.«
»Wir werden den Herrn van Engelenburg zu einem Kakao mit Whisky einladen, und danach bedrängst du mich.«
Gerry fiel ihr ein, der enttäuscht sein würde.
Wann sang er das nächste Mal? Im Glitzertau von Gucci?
Ein zweites Mal wollte sie das nicht verpassen.
Gerry hatte sich nicht abgeschminkt. Warum hätte er das tun sollen? Vielleicht war das Gesicht des Abends sein wahres Gesicht. Dieses
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