Tod im Apotherkerhaus
aus, als wärst du nicht auf den Kopf gefallen. Da sind zwanzig oder fünfundzwanzig Eimer, siehst du die? Gut, jeder deiner Leute schnappt sich einen, und dann bildet ihr eine Löschkette von der Binnenalster her.« »Aber ich habe doch gar keine Leute!« Rapp musste schreien, um sich in dem Tumult verständlich zu machen. Vock grinste flüchtig. »Noch nicht. Aber gleich ... hööö, jeder, der mindestens eine Bierkanne stemmen kann, zu mir. Ja, kommt ran, kommt ran, Leute!« Während sich Frauen und Männer, Jung und Alt, ja, sogar manche Halbwüchsige und Kinder zögernd um ihn versammelten, erklärte er Rapp, was zu tun war: »Das Wohnhaus da vorn und die beiden Speicher daneben brennen lichterloh. Sie sind nicht zu retten. Wir können nur verhindern, dass die Flammen auf die Nachbarhäuser übergreifen, aber wenn das gelingt, haben wir gewonnen. Zum Glück ist es nahezu windstill, und es nieselt. Wenn das nicht wäre, gab's kaum Hoffnung. Bekämpft das Feuer von beiden Straßen aus, und gießt das Wasser direkt in die Flammen, niemals in den Rauch, hast du das verstanden?« Rapp nickte nur.
»Die Kinder sollen die leeren Eimer zur Alster zurücktragen, mehr nicht, sie sollen sich keinen Bruch heben, klar?« »Klar.« Rapp war schon dabei, die Gefäße an die Helfer zu verteilen. Er war es nicht gewöhnt, unbekannte Menschen zu kommandieren, aber jetzt war nicht die Zeit, darüber nachzudenken. Er machte es Vock nach und brüllte laut: »Los, wir laufen alle hintereinander, und immer wenn ich >Halt!< rufe, bleibt der Letzte stehen. So entsteht automatisch die Kette!« Sie liefen los, wohl an die vierzig Menschen mit Eimern, Kisten und anderen Schöpfgeräten. Rapp immer vorneweg, sich mit Mühe den Weg durch die ständig dichter werdende Menge der Gaffer bahnend. Hinter sich hörte er Vock mit seiner Stentorstimme: »Hööö, Bürgerwache, wie viele gehören eigentlich zu eurem Haufen? Tausend? Zweitausend? Dreitausend? Ich sehe nur ein paar Dutzend! Wo sind die anderen? Holt Handspritzen von den Nachbarkirchspielen, holt weitere Löschwasserwagen, holt den Rat, sagt den Bürgermeistern Bescheid, bildet Stoßtrupps, um Alte und Kranke herauszuholen, ja, mein Gott, muss ich denn alles alleine machen! Wo ist eigentlich Mewes, der zweite Feuerschauer? Glänzt mal wieder durch Abwesenheit...« In der ersten Viertelstunde glaubte Rapp, ihm würden schier die Lungen platzen. Das Laufen, das Schleppen, das Einatmen des schweren schwarzen Qualms, der sich durch die Straßen wälzte, all das führte dazu, dass er ein ums andere Mal den Eimer fortwerfen und nach Hause flüchten wollte. Aber er hielt durch. Was andere konnten, konnte er auch. Viele seiner Mitstreiter waren sogar älter oder schwächer als er. Da durfte er nicht aufgeben! Verbissen kämpfte er als Erster in der Kette unten am Alsterufer. Er bückte sich, schöpfte den Eimer voll, lief zehn Schritte hinauf zum nächsten Posten, gab den Eimer weiter, eilte zurück, erhielt von einem der Kinder einen neuen Eimer, bückte sich, schöpfte ihn voll, hastete damit wieder vor, lief zurück, vor, zurück ... Später ließ er sich am Ufer ablösen und ging in die Flammen, um sie direkt zu bekämpfen. Der gleiche Trott begann von vorn, nur dass er sich nicht mehr so qualvoll bücken musste. Später wurde die Kette dichter, die Wege wurden kürzer. Vock, der Stimmgewaltige, schickte ihnen jede freie Hand. Wie stand es eigentlich um das. Feuer? Schien es wirklich zu weichen? Rapp wusste es nicht. Er arbeitete wie eine Maschine. Schließlich war er so erschöpft, dass er die Arme nicht mehr heben konnte.
Es half nichts, er musste eine Pause einlegen, ob er wollte oder nicht. Er trat aus der Kette heraus und stellte erleichtert fest, dass seine Hilfe nicht mehr unbedingt vonnöten war. Die Löschmannschaft war eingespielt, sie funktionierte genauso gut ohne ihn. Auch die Rauchwolken schien nicht mehr so dicht zu sein. Rapp verschnaufte und beschloss, den Feuerschauer aufzusuchen.
Vock war auf den ersten Blick kaum wiederzuerkennen. Er sah aus, als hätte man ihn der Länge nach durch einen Kamin gezogen; Mund und Nase bedeckte ein verrußtes Schutztuch, seine Stimme war nur noch ein Krächzen. Doch immer noch stand er seinen Mann. Als Rapp auf ihn zuging, blitzten seine Augen auf. »Ah, Teo. Gut gemacht! Ich lasse gleich die Arbeiten beenden. Es ist noch mal glimpflich abgegangen, mein Junge. Die letzten Feuernester werden gerade gelöscht.« »Oh, das ist gut.« Rapp
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