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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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jubelte innerlich, hatte aber nicht die Kraft, dem Ausdruck zu verleihen.
    »Das ist es wahrhaftig. Nur die da« - Vock wies auf eine Reihe von am Boden liegenden Gestalten - »werden den neuen Tag nicht mehr erleben. Sie sind tot. Erstickt oder verbrannt. Schrecklich. Um den Physikus tut's mir besonders Leid, so ein tapferer Mann, hat drei Menschen aus den Flammen geholt ... Hööö, Leute, Löscharbeiten einstellen, und dann ...!«
    Rapp riss den Feuerschauer am Ärmel herum. »Ein Physikus, sagt Ihr? Wisst Ihr seinen Namen?«
    »Was ? Ja. De Castro, Doktor de Castro, der Armenarzt. Und nun lass mich weiter meine Arbeit tun.«
    Wie benommen ging Rapp hinüber zu den Toten, die man flüchtig abgedeckt hatte. Mehrere Köpfe ragten unter den Laken hervor. Es kostete ihn große Überwindung, sie anzusehen. Die Gesichter waren durch die Flammen grausam zugerichtet, überall sah er verkohltes Fleisch, verbrannte Haare, Haut, die in der Hitze Blasen geschlagen hatte. Der letzte Kopf in der Reihe kam ihm, trotz der Entstellungen, bekannt vor. Das konnte der Doktor sein. Rapp kniete nieder und blickte forschend in das Gesicht. Plötzlich begannen die Lider des Toten zu flattern, sie öffneten sich, und die schwarzen Augen des Physikus blickten ihn an.
    »So seid Ihr es also wirklich«, stammelte Rapp, »und Ihr lebt ja! Großer Gott, Ihr lebt ja!«
    De Castro nickte unmerklich. Die Lider schlössen sich erneut. Rapp dachte schon, er hätte sich alles nur eingebildet, da begannen die Lippen einzelne Worte zu formen: »Nicht ... mehr lange mein ... Freund.«
    Rapp fiel darauf nichts Gescheites ein. Angesichts der furchtbaren Verletzungen musste jeder Widerspruch lächerlich klingen. »Ihr habt sicher Schmerzen, große Schmerzen. Wartet, es gibt einen Wagen mit Notarzneien, mit Brandsalben, Verbänden und so weiter, ich springe eben hin und bin gleich wieder zurück.«
    »... nein ... zu spät.«
    Rapp blieb. Eine Weile verging. Er wollte die Decke lüften, um die Hand des Physikus zu nehmen, aber eine winzige Abwehrbewegung machte ihm deutlich, er solle es lassen. Vermutlich waren die Verbrennungen am Körper noch schlimmer als die am Kopf. De Castro wollte ihm den Anblick ersparen. Ein Gefühl der Verbundenheit durchströmte Rapp. Irgendwann erschien eine Frau, die frisches Wasser an die Helfer austeilte. Er hielt sie an und erbat sich einen Becher.
    »Nehmt wenigstens etwas Brunnenwasser, es wird Euch gut tun«, wandte er sich an das leblose Gesicht. Unendlich vorsichtig schob er seine Hand unter den Kopf und hob ihn an. »Öffnet den Mund.«
    Es dauerte lange, bis es ihm gelang, dem Physikus ein paar Tropfen von dem Nass einzuflößen, doch endlich war es geschafft, und er begann wieder zu sprechen: »Ihr ... seid kein Mörder, mein Freund ... kein Mörder.« »Was sagt Ihr?« Rapp fiel fast der Becher aus der Hand. »... kein Mörder ... alles nur ... vorgegaukelt.« Rapp konnte nicht glauben, was er da hörte. Eine ähnliche Bemerkung hatte der Physikus schon einmal gemacht, damals in seinem Haus, als er die Krücke zurückgenommen hatte. Er hatte Rapps Schlussfolgerung, der Imitator habe ihn zur Herausgabe des Thesaurus erpressen wollen, aufgegriffen und angedeutet, dass der Erpressungsgrund, nämlich Rapps Mord an zwei Halunken, nicht stichhaltig sei. Einfach deshalb, weil der Scharlatan vorher nicht wissen konnte, dass die Tat geschehen würde. Und dann hatte er ihn gefragt: Ist Euch schon einmal in den Sinn gekommen, dass Ihr die zwei vielleicht gar nicht erschlagen habt?
    Konnte es wirklich sein, dass die Tat von vornherein nur vorgetäuscht werden sollte? Hatten die beiden Halunken nur die Getöteten gespielt?
    In Rapps Hirn überschlugen sich die Gedanken. »Aber das viele Blut!«, sagte er laut. »Das viele Blut! Woher soll es denn gekommen sein?«
    »... Tierblut ... wahrscheinlich ... alles vorgekaukelt, alles ... glaubt mir.«
    Rapp sank auf das schmutzige, regennasse Pflaster und merkte es nicht. Die Bilder des nächtlichen Kampfes standen ihm wieder vor Augen, so deutlich, als sei es erst gestern gewesen. Man hatte ihn heimtückisch in eine Falle gelockt und ihm einen Schlag versetzt, gezielt und so bemessen, dass er nicht ohnmächtig wurde. Ja, das mochte sein. Er hatte sich gewehrt und die Halunken ebenfalls getroffen. Alles war sehr schnell gegangen, daran erinnerte er sich genau, und auch daran, dass er zunächst nicht glauben konnte, zwei Menschen getötet zu haben. So rasch und endgültig starb es sich

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