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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?« Mine sank zurück aufs Bett. »Ich hab mir so gewünscht, er würd nie wieder auftauchen.«
    Rapp merkte nicht, welch drohende Haltung er mittlerweile eingenommen hatte. »Du hast mir erzählt, dein Vater sei tot!« »Ich hab gesagt...«
    »Du hast gesagt, er sei tot, und eben sagst du, du hättest gehofft, er würde nie wieder auftauchen! Also wusstest du die ganze Zeit, dass er am Leben ist.« »Aber ich hab doch ...«
    »Du hast mich belogen. Und ich Hornochse habe dir geglaubt. Dabei ist doch sonnenklar, dass er leben muss. Wer sonst hätte dem Imitator so haarklein meine Eigenschaften und Angewohnheiten erklären können! Wer sonst hätte ihn auf meine Narbe am linken Unterarm hinweisen können! Wer sonst hätte ihm seine wenn auch dürftigen Apothekenkenntnisse vermitteln können!« »Schrei mich nicht so an.« »Ich schreie ja gar nicht! Du hast mir wissentlich die Unwahrheit gesagt, und ich frage mich, was du damit bezwecken wolltest.«
    Mines Unterlippe begann zu zittern. »Ich hab gesagt, er ist tot, für mich ist er tot, und dass er'n Knickerbüdel ist, hab ich gesagt, und dass er aus meinem Gedächtnis gestrichen ist, genauso war's.« Ihre Lippe zitterte stärker, und sie begann zu weinen.
    Rapp sah es, und normalerweise wäre er dahingeschmolzen und hätte augenblicklich um Verzeihung gebeten, aber diesmal war er zu aufgebracht. Zu sehr hatte er sich in den Gedanken verbohrt, dass mehr hinter ihren Worten stecken müsse. »Ach, du hattest ihn aus deinem Gedächtnis gestrichen, aber gleichzeitig seine Sachen aufgehoben, die ich dann später auftragen durfte, was?«, brüllte er. »Teo! Teo, bitte ...«
    »Ich wette, du hast ihn in der Zwischenzeit auch ein paar Mal gesehen, warum auch nicht, er ist ja immerhin dein Vater. Hat er dich auch über die Pläne zum Raub meines Thesaurus eingeweiht? Wahrscheinlich ja! Wahrscheinlich hast du auch damit gerechnet, dass ich nach dem Überfall als armes Würstchen bei dir aufkreuzen und um Unterkunft bitten würde. War es nicht so? Nun, hat es Spaß gemacht, den Apotheker Teodorus Rapp nach allen Regeln der Kunst über seine Vergangenheit auszuquetschen?« Er hielt inne, um Luft zu holen, und sah, dass sie aufgehört hatte zu weinen. Ihre Gesichtszüge waren jetzt wie aus Stein.
    Sie sagte nur ein Wort: »Raus!«
    Ernüchtert blickte er sie an. »Mine, ich war vielleicht ein bisschen ...« »Raus!«
    Er stand mit hängenden Schultern da. »Mine, vielleicht habe ich mich eben ein wenig vergaloppiert, aber du musst doch zugeben, dass du gesagt hast, er sei tot, wortwörtlich hast du es gesagt, und ich ...«
    »Raus, du verdammter Kerl! Raus, raus, raus!« »Ich gehe ja schon«, murmelte er, »ich gehe ja schon.« Widerstrebend verließ er die Mansarde und stieg die Treppe hinunter. Ihr hemmungsloses Schluchzen begleitete ihn.
    Rapp trat hinaus in den Hof. Noch immer fiel feiner Nieselregen aus Hamburgs nächtlich verhangenem Himmel. Er schnaubte. Das Wetter hätte nicht schlechter sein können, um seiner Stimmung zu entsprechen. Hatte er Mine Unrecht getan? Vielleicht. Andererseits: Ihre Erklärung, sie hätte gemeint, Witteke sei für sie gestorben, hatte in seinen Ohren allzu fadenscheinig geklungen. Und wenn sie nun doch stimmte? Einerlei, er war wie ein Racheengel aufgetreten und hatte den Karren gründlich in den Dreck gefahren. Nicht einmal ausreden hatte er sie lassen. Kein Wunder, dass sie ihn hinausgeworfen hatte.
    Und nun konnte er zusehen, wo er heute Nacht schlief. Es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als zum Apothekenhaus zu gehen und dort in seiner Kammer zu übernachten. Wie fremd ihm seine Bettstatt mittlerweile war. Er seufzte und setzte sich in Bewegung. Morgen wollte er versuchen, die Sache mit Mine wieder einzurenken. Vielleicht hatte sie ja wirklich nicht gewusst, dass Witteke lebte. Oder sie hatte es einfach verdrängt. In jedem Fall war er für sie gestorben. Da! Da hatte er doch gerade selbst diese Worte gedacht... »Na, Teo, dicke Luft?«
    Rapp fuhr herum. Unter der trüben Funzel des gegenüberliegenden Wohnbaus erkannte er die Umrisse von Opas Kopf. Der Greis saß wie immer hinter dem Misthaufen und kaute Toback. »Woher weißt du das, Opa?«
    »Seh ich dir anner Nasenspitze an, mien Jung. Ärger mit Mine, was? Na, mach dir nix draus, das wird schon. Wenn die Deerns einen erst mal lieben tun, kommt allens wieder inne Reihe. Morgen is auch noch'n Tach. Sollst sehn.«
    Opas Trost tat Rapp

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