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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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irgendetwas hinter ihm her, aber das kümmerte ihn nicht weiter. Die Leute hatten selbst Schuld, warum waren sie auch so unfreundlich. »Vestis virum reddit«, brummte er vor sich hin, »>die Kleidung macht den Mann<. Was die Umkehrung dieser Redensart bedeutet, erfahre ich seit gestern am eigenen Leibe.«
    Nach geraumer Weile näherte Rapp sich der Steinstraße. Der Turm von St. Jakobi ragte linker Hand vor ihm auf. Hier im Viertel wollte er sich auf die Suche machen. Wollte er das wirklich? Abermals nagten Zweifel an ihm. Womöglich war Witteke in eine andere Stadt fortgezogen, in den Süden oder sonst wohin, dann nützten auch die hartnäckigsten Nachforschungen nichts. Aber, bei allen Mörsern und Pistillen, es musste trotzdem versucht werden! Er konnte doch nicht auf der Straße schlafen!
    Rapp begann mit seinen Nachforschungen am Pferdemarkt, jenem großflächigen Ort, an dem schon lange nicht mehr nur Pferde, Ochsen oder Schweine den Besitzer wechselten, sondern auch allerlei andere Waren, hauptsächlich Dinge für den Haushalt oder leibliche Genüsse. Sie wurden von kleinen Händlern feilgeboten, die regelmäßig ihren festen Platz einnahmen. Bei ihnen wollte er nachfragen. Den Anfang machte er bei einer Frau in mittleren Jahren, die Esskastanien verkaufte. Sie hatte den Namen Witteke noch nie gehört. Es folgte ein älterer Mann mit triefender Nase, der Schnupftoback anbot, »feinsten Virginier«, wie er betonte. Aber auch er kannte den Gesuchten nicht. Ebenso erging es Rapp bei einer Fischfrau, die inmitten von Körben voller Heringe, Hummer und Elbaal stand.
    Er ließ sich nicht entmutigen und wanderte weiter, erkundigte sich hier, fragte dort. Die Leute reagierten höchst unterschiedlich, manche waren hilfsbereit, andere misstrauisch, aber niemand konnte ihm wirklich helfen. Zumindest redet man hier mit mir, dachte er, es ist nicht so wie in der Umgebung vom Hammerhai, auch wenn manch einer mich anstarrt, als hätte ich zwei Köpfe und drei Beine.
    Eine Mostverkäuferin aus den Vierlanden wusste ebenfalls nichts. Rapp dankte ihr gerade und wollte sich abwenden, als hinter ihm eine Art Singsang laut wurde:
    »Appelkoken ut de Koken, wullt du mol'n Stück versöken, denn griep to, denn griep to ...«
    Die Stimme gehörte einer drallen, jungen Frau, die unverwandt in seine Richtung zu starren schien. Rapp trat näher. Die Frau war ärmlich, aber sauber gekleidet und ungefähr zwanzig Jahre alt. Ihr Blick war merkwürdig leer. Er sprach sie an: »Kennst du zufällig einen Mann namens Witteke? Er soll hier in der Gegend wohnen.«
    Die Frau verzog keine Miene und griff in ein Gestell, das ihr wie ein Bauchladen vor dem Leib hing. Sie holte ein großes Stück Apfelkuchen hervor und hielt es ihm unter die Nase. »Danke, nein«, sagte Rapp hastig. Er hatte mittlerweile erkannt, dass die Frau eine Kuchenfrau war, denn in ihrem Behältnis befanden sich nicht nur Backwaren, sondern auch ein paar Münzen. Offenbar verdiente sie sich auf dem Markt ein paar Pfennige zum Leben. »Ich möchte nur wissen, ob du einen Witteke kennst. Der Mann ist schon älter, schlank ...« Rapp brach ab, denn die Frau hielt ihm weiterhin das Stück entgegen. Ein köstlicher, schier unwiderstehlicher Duft drang ihm in die Nase. »Hör mal, ich habe kein Geld, das ich dir geben könnte, ich ...«
    »Appelkoken ut de Koken, wullt du mol'n Stück versöken, denn griep to, denn griep to ...«
    »Nun, wenn du meinst, aber ich kann wirklich nicht bezahlen.« Rapps Hunger war einfach zu groß. Er konnte nicht länger an sich halten und nahm der Frau das Stück ab. Als er den feinen Geschmack nach Äpfeln, Zimt und Butterteig auf der Zunge spürte, war er sicher, noch nie etwas so Köstliches gegessen zu haben. Doch leider war der Hochgenuss nur allzu rasch vorbei, und Rapp bemerkte, dass die Kuchenfrau noch immer in dieselbe Richtung starrte. »Ich danke dir, du ahnst nicht, wie gut mir das getan hat«, sagte er. »Irgendwann sollst du dein Geld dafür bekommen.«
    Als sie in keiner Weise auf ihn einging, nickte er ihr noch einmal zu und blickte sich um. Er hatte nun so ziemlich jeden Menschen auf dem Markt befragt, aber keiner hatte ihm weiterhelfen können. Dennoch wollte er nicht aufgeben, was nichts weiter bedeutete, als dass er hinein musste in das Labyrinth des Armenviertels.
    Und hier entdeckte Rapp winzige Gassen, verwinkelte Gänge, Pfade, die so eng waren, dass kaum ein ausgewachsener Mann sie betreten konnte. Eine willkürliche

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