Tod im Apotherkerhaus
Arnica montana vermutet hätte? Wie alle Apotheker und Gehilfen hatte er das Lateinische nicht studiert, dennoch konnte seine Kenntnis der pharmazeutischen Bezeichnungen als allumfassend gelten. Es gab wohl kaum ein Kräutlein auf Gottes Erdboden, dessen wissenschaftlicher Name ihm nicht geläufig war. Witteke. Wo der Mann wohl hauste? Wahrscheinlich irgendwo in einem Loch, das zu einem Spottpreis vermietet wurde, denn der Gehilfe war geizig gewesen. Geizig, aber sehr, sehr tüchtig.
Eine halbe Stunde später hatte Rapp sich durchgerungen. Er war unterwegs zur Jakobi-Kirche. Er wollte zu Witteke. Zwar hielt er es für nahezu aussichtslos, dessen Behausung aufzuspüren, aber der Versuch musste unternommen werden. Eine andere Wahl hatte er nicht.
Wenigstens das Gehen fiel ihm leichter. Für einen Augenblick überlegte er, ob er seiner Eitelkeit nachgeben und die Krücke wegwerfen sollte, denn der Eindruck, den er machte, würde auch ohne Laufhilfe noch lächerlich genug sein. Schuld daran waren seine aufgekrempelte Hose, die nackten Füße, der Verband um die Zehen und nicht zuletzt sein Besuch im Hammerhai, wo der fette Wirt ihm sein gutes Hemd zerrissen hatte. Gerade eben erst hatte so ein kleiner Rotzbengel mit dem Finger auf ihn gezeigt und breit gegrinst. »Kiek mol, Modder, kiek mol dor, en Vogelschreck, en Vogelschreck, schreck-schreck-schreck ...!« Die Frau daneben, eine hübsche Person mit gestärkter weißer Haube, hatte den Finger an die Lippen gelegt und »Pssst!« gemacht, aber vorher, das war Rapp nicht entgangen, hatte auch sie gekichert.
Nein, er würde die Krücke nicht wegwerfen. Er hatte Doktor de Castro versprochen, sie zurückzubringen, und das würde er auch tun.
Rapp stand mittlerweile vor der Trostbrücke. Wenn er sie überquerte, würde sein Weg ihn direkt zwischen Rathaus, Niedergericht und Börse hindurchführen. Und im Rathaus saß gewiss ein Verantwortlicher der Nachtwache. Später dann käme er noch an der Fronerei vorbei, dem Ort, wo die kleinen Gauner eingelocht wurden. Rapp wandte sich nach links. Ihm stand nicht der Sinn nach Obrigkeit. Diese Häuser wollte er lieber weitläufig umgehen.
Kurz darauf meldete sich ein altbekanntes Gefühl wieder. Es war der Hunger. Rapp seufzte. Er hatte nun mal kein Geld, nicht den kleinsten Pfennig für eine Suppe oder einen Hering, und Betteln kam nicht in Frage. Also würde ihm nichts anderes übrig bleiben als das zu tun, was er auch gestern schon mehrere Male getan hatte: ein paar kräftige Schlucke Wasser trinken. Das würde ihm den Magen füllen. Rapp steuerte auf einen Brunnen zu, den er in einem Innenhof entdeckt hatte, und nahm den Zieheimer zur Hand, um ihn hinabzulassen. »Dat is unser Woter. Wenn du Dörst hest, seggst Bescheed, dat is hier so Bruuk. Hest wohl keen Kinnerstuuv?«, unterbrach ihn eine Frau wütend. Sie stand da, die Arme vor dem gewaltigen Busen verschränkt, und blickte ihn empört an. Rapp hatte nur die Hälfte verstanden. Doch war ihm klar geworden, dass die Frau ihm das Wasser verwehren wollte. »Ich will nur rasch etwas trinken«, sagte er, »dagegen spricht ja wohl nichts.« Ohne sich weiter um die Frau zu kümmern, ließ er den Eimer hinab und zog ihn gut gefüllt wieder nach oben. Dann trank er ein paar Schlucke und stellte das Gefäß zurück auf den Brunnenrand. Als er sich umdrehte, stieß er mit einem grobschlächtigen Hünen zusammen.
»Du betoolst uns dat Woter, is dat kloor?«, knurrte der Riese, der offenbar zu der Frau gehörte. Drohend schob er sich noch ein Stück vor, so dass Rapp jählings in einer gewaltigen Bierfahne stand. Der Grobschlächtige wiederholte seine Worte, diesmal Daumen und Zeigefinger unmissverständlich aneinander reibend.
Rapp versuchte, an dem Mann vorbeizukommen. »Gau betoolst du dat! Bi'n Woterdreger betoolst dat ja ok.« In welche Richtung Rapp auch trat, stets versperrte der Riese ihm den Weg.
»Ich habe kein Geld.« Rapp wollte Streit vermeiden, besonders nach den Prügeleien, die er hinter sich hatte. Aber er wollte auch vorbei, hinaus auf die Straße. Was bildete dieser Vierschrot sich eigentlich ein? Er hatte doch nur etwas Wasser getrunken! Rapp sah keine andere Möglichkeit, als seinem Widersacher die Krückenspitze auf den Fuß zu rammen. Er tat es, und wie sich zeigte mit ungeahnter Wirkung, denn der Riese sprang wie von einer Apulischen Tarantel gestochen in die Luft und hüpfte heulend auf einem Bein herum.
Jetzt konnte Rapp passieren. Die Frau keifte
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