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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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würde es von selbst verstummen.
    »Schöner Tag heut, nicht? Opa hat auch gesagt, wenn's nicht kälter wird, muss er noch nicht heizen.« Rapp schwieg.
    »Opa, das ist der, den du hinterm Misthaufen gesehen hast. Er hat keine Beine mehr, deswegen ist er so klein.« Himmel, bring mir das Kind zur Ruhe!
    »Du kannst ganz schön schnell ohne Krücke laufen. Ich glaub, du brauchst gar keine.«
    Rapp stellte fest, dass die Kleine Recht hatte. Er war wieder ziemlich gut zu Fuß.
    »Der Verband ist bestimmt nicht echt, oder?« »Doch.« Ohne es zu wollen, hatte Rapp geantwortet. Es war ihm so herausgerutscht, und es tat ihm im selben Augenblick Leid.
    Das Kind ging nicht darauf ein. »Ich heiß Isi. Das kommt von Isolde, aber alle sagen Isi zu mir. Nur meine Mutter nicht. Sie sagt, sie hat sich den Namen ausgedacht. Es gab eine Sage, Tristan und Isolde, eine Liebesgeschichte war das. Da kam der Name her. Tristan war ein tapferer Ritter, und Isolde konnte zaubern. Wusstest du das?«
    Da Rapp nun schon einmal geantwortet hatte, rang er sich zu einem bejahenden Räuspern durch. »Ich bin schon elf. Ich kenn hier alle.«
    Was hatte das Kind da behauptet? Es kenne hier alle? Dann wusste es womöglich auch, wo Witteke gewohnt hatte. Ja, das konnte sein. Er wollte die Kleine fragen, aber sie kam ihm zuvor.
    »Und wie heißt du?« »Ah-hm ... nun ja, äh ...« »Wie denn nun?« »Teo.«
    »Ein Onkel von mir hieß auch Teo. Hat sich totgesoffen, der Arme. Säuferleber. Ist schon sehr lange her. Mindestens ein Jahr.« Isi begann, vor sich hinzusummen. »Sag mal, Isi, wenn du hier alle kennst, dann weißt du doch sicher auch, wo Franz Witteke gewohnt hat?« »Klar, aber der ist nicht mehr da. Ist einfach abgehauen. Aber Mine ist noch da.« »Mine? Wer ist Mine?«
    »Na, seine Tochter doch«, entgegnete Isi in einem Tonfall, als wüsste das die ganze Stadt.
    »Ach so, ja, natürlich«, beeilte Rapp sich zu versichern. »Und wohin Witteke gezogen ist, weißt du vermutlich nicht?« »Nee, keiner weiß, wo der hin ist. Nicht mal Mine, und die ist mächtig schlau.«
    »Ach ja.« Alle Hoffnungen, die Rapp gehegt hatte, waren mit dieser Antwort zerschlagen. Es war zwar nur ein Strohhalm gewesen, an den er sich geklammert hatte, aber nun stand es unverrückbar fest: Es gab keine Möglichkeit, bei Witteke unterzukommen.
    »Was wolltest du denn von dem Vater von Mine? Du hast gesagt, du wolltest ihn um was bitten.« Rapp seufzte. »Das hat sich erledigt.« »Sag es.«
    »Es hat ja doch keinen Zweck.« »Sag es, los.«
    Rapp gab auf. Gegen Isis Hartnäckigkeit war kein Kraut gewachsen. »Nun gut, ich wollte ihn fragen, ob er mich für ein paar Tage bei sich aufnehmen kann.« »Hast du keine Wohnung?«
    »Nun ja ... leider nein.« Rapp stand auf. Er war jetzt einigermaßen sicher, dass ihn kein weiterer Anfall überraschen würde. »Mine nimmt dich bestimmt.« »Was sagst du da?« Rapp setzte sich wieder. »Mine nimmt dich bestimmt auf. Ist meine Freundin. Sie wohnt ganz oben im Haus.«
    Was Isi da gesagt hatte, klang sehr verlockend, kam aber selbstverständlich nicht in Frage. Schließlich war die Frau ihm gänzlich unbekannt, und überdies schickte es sich nicht, mit einem fremden Weibsbild unter einem Dach zu hausen. »Das ist völlig unmöglich!«
    In der Nachbarzelle scharrten Füße. Isi schien gleichfalls fertig zu sein. Rapp trat hinaus auf den Hof und stand wenige Augenblicke später seiner kleinen Gesprächspartnerin gegenüber. Sie sah ganz anders aus, als er erwartet hatte, klein für ihr Alter, zierlich und eher unscheinbar, allerdings mit großen Augen und einer lustigen Stupsnase. Noch überraschender aber war ihre Erscheinung. Sie trug eine kurze warme Wolljacke über einem feinen Schürzenkleid und dazu Schuhe aus Leder. Isi blickte ihn ernst an und sagte: »Wenn ich's sag, kannst du es glauben. Mine nimmt dich auf.« Dann wandte sie sich mit einer so energischen Bewegung den anderen Kindern zu, dass ihre dicken braunen Zöpfe flogen. »He, seht mal her. Das hier ist Teo. Teo ist in Ordnung.«
    Die Hofkinder gehorchten. Sie unterbrachen ihr Spiel und standen etwas unschlüssig herum. Hier und da knuffte jemand dem anderen in die Seite und tuschelte etwas. Rapp, der nicht viel von Kindern verstand, wunderte sich, wie schnell bei ihnen die Stimmungen wechselten. Vorhin waren sie kiebig gewesen, dann verschlossen und nun fast scheu. Isi jedenfalls schien die Anführerin unter ihnen zu sein, denn alle hörten auf sie, sogar

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