Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
mehr so wichtig zu sein. Sie umringten Rapp und riefen durcheinander »Jo, dat is se, mall!« Rapp glaubte zu verstehen.
    »Wollt ihr damit sagen, die Kuchenfrau ist immer so, äh, abwesend?«
    »Jo, se is dwallerig, tüterig.« »Se hett Kreienschiet in'n Kopp, hihi!«
    »Dull is se, de Koken-Marie! Maschucken, tumpig, bekloppt, weetst nu Bescheed?«
    Rapp räusperte sich. »Nun, ja.« Die Frau war wohl tatsächlich nicht ganz bei Sinnen, trotzdem fand er es nicht richtig, dass die Kinder so über sie redeten. Schon gar nicht in ihrer Anwesenheit. »Einer von euch hat mir draußen einen Wink gegeben, hier hätte mal ein Mann mit Namen Witteke gewohnt. Kann mir jemand sagen, wo das war?«
    Die Gören, eben noch fröhlich durcheinander plappernd, schwiegen unvermittelt. Sie musterten ihn abschätzend. Rapp spürte einen Anflug von Feindseligkeit. Vielleicht glaubten die Kinder, er wollte Witteke aus irgendeinem Grund an den Kragen? »Ich will nur wissen, wo er wohnte, glaubt mir. Damit ich nachfragen kann, wohin er gezogen ist. Ich ... muss ihn dringend um etwas bitten.« Das war die Wahrheit, und Rapp hoffte, sie würde überzeugend klingen.
    Ein kleines Mädchen trat vor und krähte: »Wi seggt nix!« Der Zusammenhalt der Hofbewohner schien stark ausgeprägt zu sein.
    »Aber er muss hier doch irgendwo gewohnt haben!« Rapp ließ seinen Blick schweifen. Der Innenhof wurde umschlossen von drei windschiefen Wohnbauten und einem dreistöckigen Fachwerkhaus. Das Haus schien von allen Gebäuden noch am besten in Stand zu sein, obwohl seine Fenster blind waren und die Rahmen vor Altersschwäche schief im Mauerwerk saßen. Es maß in der Breite höchstens fünfzehn Fuß. Die Wohnbauten wirkten dagegen verwahrlost, schief und krumm, mit Ziegeln, in denen der Schwamm saß, und Türen, die eher Löchern glichen. Sie waren der Zugang für die Buden, in denen Familien hausten, die häufig ein Dutzend Kinder oder mehr hatten. Der so genannte Sahl darüber bestand nicht selten nur aus einem einzigen Raum und beherbergte trotzdem genauso viele Menschen. Man erreichte ihn über eine gesonderte Außentreppe. Rapp riss sich von dem jammervollen Anblick los. Wer hier hauste, gehörte wirklich zu den Ärmsten der Armen.
    Zwei Wohnkeller waren ebenerdig zu erkennen. Nur wenige Stufen führten zu ihnen hinab, ein Anzeichen dafür, wie niedrig sie waren. Eine der Treppen war halb von einem Misthaufen bedeckt, dahinter saß ein Kind. Rapp stutzte. Ein Kind hinter einem Misthaufen? Auf einer Kellertreppe? Er schaute noch einmal hin und erkannte, dass es ein alter Mann war, ein Greis von so kleinem Wuchs, dass er den Haufen kaum überragte. Jetzt grinste der Alte, sein Gesicht zersprang dabei in tausend Fältchen, und er nickte dazu, als wolle er sagen: Von uns erfährst du nichts.
    Rapp hob die Arme. »Warum wollt ihr mir nicht helfen? Es ist doch nur eine Auskunft!« Während er das sagte, begann es jählings in seinem Darm zu grummeln. Was war das? Er konnte doch jetzt nicht müssen ... wovon denn? Das Sauerkraut! Das Sauerkraut mit seiner purgierenden Wirkung! Wieso hatte er nicht daran gedacht, als er es in sich hineinstopfte? Er hätte es langsamer essen sollen. Und vor allem nicht so viel. Nutzlose Gedanken! Er spürte, dass er umgehend einen Abort aufsuchen musste, doch wo war der ersehnte Platz? Aus dem Grummeln wurde ein Rumpeln. »Sagt, habt ihr hier einen ...?«
    Doch Rapp hatte selbst schon den gewissen Ort entdeckt. Es war ein Klosettschuppen mit zwei Türen, der in einer Ecke des Hofs stand. Eine der Türen öffnete sich gerade, und der Benutzer, ein kleiner Junge, der sich gerade noch die Hose hochzog, entschwand in einem der Wohnbauten. Rapp mit seiner Krücke lief mehr, als dass er ging, zu der Kabine und zog aufatmend die Tür hinter sich zu. Das war knapp gewesen. Er setzte sich auf das kreisrunde Loch und ließ den Dingen geräuschvoll ihren Lauf. »Ich hab dich die ganze Zeit beobachtet. Durch den Spalt in der Tür. Du hattest es ganz schön eilig, höhö.« Rapp schreckte hoch. Was war das? Da verrichtete jemand direkt neben ihm ebenfalls sein Geschäft. Der Stimme nach ein Mädchen. Meinte das Kind etwa ihn? Er beschloss zu schweigen und widmete sich wieder seiner Tätigkeit. »Ich hatt auch schon mal Durchfall. Drei Tage hintereinander. Grässlich war's. Aber dann ging's wieder weg. Auch bei dir wird's wieder weggehen.«
    Rapp beschloss, das Kind, das so altklug daherschwätzte, mit Nichtachtung zu strafen. Irgendwann

Weitere Kostenlose Bücher