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Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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auf. Morgen vor dem ersten Hahnenschrei würde er schnurstracks nach Hause gehen, und der andere Mann, dieser seltsame Doppelgänger, würde nicht mehr da sein. Alles würde wieder so sein wie früher. Mit diesem Gedanken schlief er ein.

 
    Kapitel drei,
    in welchem eine singende Kuchenfrau, eine Flickerin,
    ein Schnellläufer sowie andere erstaunliche Gestalten
    ins Spiel kommen.
     
    R app war es gerade noch gelungen, aus dem Werkstattschuppen zu schlüpfen, bevor die Arbeiter kamen.
    Das Fauchen der besorgten Katzenmutter hatte ihn im letzten Moment gewarnt. Wie hatte er nur so lange schlafen können! Um ihn herum erklangen bereits Hammerschläge, eine Säge kreischte, Rufe, Fluchen, Gelächter wurden laut. Vorbei war es mit der sonntäglichen Ruhe. Es war Montag. Der Hafen erwachte zum Leben.
    Rapp schritt kräftig aus. Er fühlte sich ausgeruht und hatte es eilig, sein Apothekenhaus zu erreichen. Zufrieden bemerkte er, dass der Zustand seiner Zehen sich weiter gebessert hatte, allerdings, ganz ohne Krücke ging es noch nicht. Nach ungefähr zehn Minuten, die ihm durch seine Ungeduld wie eine Ewigkeit vorkamen, bog er in die Deichstraße ein. Kurz vor Erreichen seines Ziels rückten die gestrigen Geschehnisse auch gedanklich wieder näher. Was mochte ihn erwarten? Nun, eines schien gewiss: Der Doppelgänger würde fort sein. Er war nicht in der Lage, den Dienst eines Apothekers zu versehen. Das war nur er, Teodorus Rapp.
    Schon aus einiger Entfernung sah er, dass die Tür seines Hauses geschlossen war. Gut so. Gestern Abend hatte sie noch offen gestanden. Der Doppelgänger war also tatsächlich fort. Ob er abgesperrt hatte? Rapp hoffte, dass es nicht so war und dass der Kerl den Schlüssel nicht mitgenommen hatte. Was wohl aus seinem weinroten Rock geworden war? Rapp zog die Stirn in Falten. Die Frage war im Moment nicht so wichtig. Hauptsache, er kam in die Apotheke hinein. Alles andere würde sich finden. Er drückte die schwere Messingklinke nieder und stellte aufatmend fest, dass die Tür sich öffnen ließ. Schon wollte er endgültig eintreten, da musste er innehalten. Drei oder vier Kunden versperrten ihm den Weg. Sie warteten vor dem Rezepturtisch. Ganz vorn die Witwe Albertine Kruse, die eingebildete Kranke, von der man sagte, ihr Mundwerk würde selbst auf dem Totenbett noch nicht zum Stillstand kommen. Und auch jetzt redete sie ohne Punkt und Komma:
    »Ja-Herr-Apotheker-warum-nicht-gleich-so-ja-ja-das-ist-die-Mischung-Ihr-habt-sie-doch-selbst-zubereitet-gegen-meine-Reizblase-erinnert-Ihr-Euch-nicht-Ringelblume-Schafgarbe-und-Johanniskraut-sind-drin-aber-ich-weiß-nicht-obs-hilft-Ihr-wisst-ja-selbst-wie-sehr-ich-unter-dem-Katarrh-leide-was-bin-ich-schuldig-wie-immer-ja-ja-ich-weiß-hatte-es-nur-grad-vergessen-aber-mir-geht-es-ja-auch-so-schlecht-so-schlecht ...«
    Sie sprach zu Teodoras Rapp, der in seinem weinroten Rock im Hintergrund der Offizin stand und damit beschäftigt war, einer der vielen Schubladen ein Säckchen mit vorbereiteter Kräutermischung zu entnehmen.
    Rapp konnte und wollte es nicht glauben. Da war dieser verdammte Doppelgänger ja noch immer! Was machte er hier? Und jetzt guckte der Kerl auch noch zu ihm herüber! Unwillkürlich duckte sich Rapp. Die Kruse rauschte mit ihrem Kräu-tersäckchen an ihm vorüber und verließ den Laden. Sie hatte ihn nicht erkannt. Wie sollte sie auch, in seinem Aufzug! Der nächste Kunde war an der Reihe. Seine derbe Kleidung ließ auf einen Hafenarbeiter schließen.
    »Ja?«, krächzte der Doppelgänger mit seltsam angestrengter Stimme.
    Der Arbeiter drehte die Mütze in den Händen und war sichtlich bemüht, Hochdeutsch zu reden. Er klang dabei, als hielte ihm jemand die Nase zu. »Hab Schnupfen un Fieber. Un schwindlig is mir, so schwindlig.«
    Der falsche Apotheker musterte den Mann. Dann, plötzlich, verzog sich sein Gesicht, und er nieste gewaltig. Ein Taschentuch hervorziehend, sagte er heiser: »Die Influenza geht um. Ich bin selbst stark erkältet.«
    Rapp stellte fest, dass der Kerl ein eigenes Schneuztuch benutzte.
    »Lass dir Thee von Fliederbeeren kochen und schwitze ein paar Tage tüchtig im Bette. Hier, nimm.« Er übergab dem Arbeiter ein Quantum getrocknete Beeren und schickte sich an, den nächsten Kunden zu bedienen.
    Rapp konnte nur noch staunen. Es war unfassbar, mit welcher Selbstverständlichkeit der Doppelgänger in seine Rolle geschlüpft war. Und mit welcher Unverfrorenheit er sich in seiner Apotheke breit machte. Unfassbar!

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