Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod im Apotherkerhaus

Tod im Apotherkerhaus

Titel: Tod im Apotherkerhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
Vom Netzwerk:
Petroleumlampe, da er sich nicht nur auf das frühe Tageslicht verlassen wollte. Das Ergebnis war ein Glänzen und Glitzern, ein Schillern und Funkeln, das einer Diamantensammlung würdig gewesen wäre. Jedes Stück in dem Laden war makellos in Reinheit und Schliff. Es gab Exponate in den Formen der Sternzeichen und in denen der Geometrie, es gab Tiere und Pflanzen, Fische und Vögel und vielerlei mehr. Es gab sogar eine Herde aus zwölf hintereinander hertrottenden Elefanten, bei der jedes Tier ein wenig kleiner als das vor ihm Gehende war. Gottwald sah, wie der hohe Gast sich zu Areskin hinabbeugte und ihm etwas zuflüsterte. Der Engländer nickte, räusperte sich und sprach dann.
    »Mein Begleiter wünscht zu wissen, ob es mit den Elefanten eine besondere Bewandtnis hat.«
    »Welch scharfsinnige Frage!«, gab Gottwald sich begeistert und hoffte, dass sein Ausruf echt klang. »In der Tat ist es so! Die zwölf Rüsseltiere stellen einen Jahreskalender dar, wobei jedes Tier für einen Monat steht. Das Ganze funktioniert so: Nach Ablauf des Januar dreht man den ersten Elefanten um, nach dem Februar den zweiten, dann den dritten und so fort. Am ende des Jahres marschiert die gesamte Herde in die entgegengesetzte Richtung. Interessanterweise hat dann der kleinste Elefant die Spitze übernommen, was sicher auch ein Sinnbild dafür ist, wie vergänglich Macht und Führerschaft sein können.« Im selben Moment, als Gottwald das sagte, merkte er, dass er gehörig ins Fettnäpfchen getreten war, denn der Blick des hochgestellten Besuchers verdüsterte sich. Offenbar hatte er die Analogie verstanden oder erahnt und bezog sie auf sich selbst. Gottwald lachte unsicher. »Ah ... nun, ein Jahr später ist dann ja wieder alles beim Alten! Haha!«
    Der Herrscher verzog keine Miene. Vielleicht, weil er des Deutschen doch nicht so mächtig war. Nun sprach er abermals mit Areskin, und dieser sagte: »Mein Begleiter weist Euch darauf hin, dass die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten bei Bernstein ihn weniger fesseln. Er ist, nun, sagen wir, mehr an den Launen der Natur interessiert.«
    Der Hausherr verstand. »Ihr meint gewiss die Einschlüsse, die sich mit Glück im Bernstein finden lassen. Ihr werdet staunen, . was meine Sammlung diesbezüglich zu bieten hat.« Er hoffte inbrünstig, die Scharte von eben auswetzen zu können, weil er darauf angewiesen war, seine Sammlung, oder wenigstens Teile derselben, gut zu verkaufen. Danzig war ein teures Pflaster, und das prächtige Bürgerhaus, das er seiner Frau zuliebe vor einiger Zeit erworben hatte, verschlang Unsummen an Unterhalt. Dazu die Arztkosten, die ihr Leiden verursachte ... »Geduldet Euch nur einen Augenblick.«
    Er schritt zum nächsten Schrein, einem kleineren mit Holzintarsien geschmückten Kasten, und öffnete ihn vorsichtig. »Nun, was sagt Ihr dazu?«
    Die Herren schwiegen. Das, was sich ihren Augen darbot, schien unspektakulär. Einige Dutzend Bernsteinstücke waren es, mehr nicht. Sie lagen auf grünem Samt, unbearbeitet und ungeschliffen, so wie der Finder sie am Ostseestrand aufgelesen haben mochte.
    Gottwald nahm einen Stein zur Hand und hielt ihn ins Licht der Petroleumlampe. »Seht, was dieses Stück in sich birgt.« Areskin und der Riese kniffen die Augen zusammen. »Sieht aus wie eine Fliege«, sagte der Engländer. Seine Stimme klang nicht sonderlich begeistert.
    »Richtig. Nur eine Fliege.« Gottwald hielt eine Lupe über den Stein. »Aber sie ist vollständig erhalten, die Beine, die Augen, die Flügel, alles. Das Harz hat sie sanft, aber unentrinnbar umschlossen, und wenn Ihr ganz genau hinschaut, seht Ihr, dass sie die hinteren zwei ihrer sechs Beine aneinander reibt. Was sagt uns das? Nun, dass dieses Insekt sich gerade putzte, als der Tod es ereilte. Es war sich keiner Gefahr bewusst. Fliegen sind flink. Einem schnellen Jäger entkommen sie durch noch schnellere Reaktion. Das Baumharz hingegen ist langsam und scheinbar harmlos. Doch es klebt stärker als der beste Knochenleim, und wenn ein Bein oder ein Flügel erst daran haftet, dann gibt es kein Entrinnen.«
    Gottwald gab Areskin die Lupe, damit dieser sie hielte, und vermerkte mit Befriedigung, dass seine Besucher das Insekt jetzt mit anderen Augen ansahen. Er nutzte die Gunst des Augenblicks und gab ihnen nacheinander weitere Exponate mit Einschlüssen. Darunter eine Schwebfliege, eine Wespe, mehrere Schnaken, einen Grashüpfer, Ameisen von verschiedener Größe und Farbe, einen kleinen, aber schwer

Weitere Kostenlose Bücher