Tod im Beginenhaus
angenommen hatte, es sei der einzige Weg. Sie hatte ebenfalls keine Wahl gehabt, oder? Und auch heute sah sie keine andere Möglichkeit, als zu versuchen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Allein zwar, darin ähnelte sie Irmingard. Doch sie hatte die Kraft, allein ihr Leben in den Griff zu bekommen.
«Woran denkt Ihr?», wollte Franziska wissen, und Adelina wurde bewusst, dass sie still auf den schmutzigen Teller gestarrt hatte, den sie eigentlich beim Spülstein hatte abstellen wollen. Rasch legte sie ihn beiseite und zwang sich zu einem Lächeln.
«An nichts Besonderes», sagte sie. «Geh bitte und hol Wasser herein. Ich möchte die oberen Zimmer putzen.»
«Auch das von Magister Burka?» Das Mädchen griff nach dem großen Eimer neben dem Spülstein, blieb damit jedoch mitten in der Küche stehen. «Ihr wart nicht oben, seit er ausgezogen ist.»
«Ich hatte noch keine Zeit.» Wie schal klang die Notlüge, die sie in den vergangenen Tagen allzu häufig benutzt hatte, vor allem vor sich selbst. «Aber du hast Recht, wenn ich das Zimmer wieder vermieten will, sollte ich es gründlich reinigen.»
«Ihr wollt es wieder vermieten?»
«Dazu ist es vorgesehen.»
«Schade.» Franziska lächelte schief. «Ich meine, dass der Herr Magister ausgezogen ist. So ein netter Mann. Ich hab ihn gestern am Neumarkt getroffen.»
Adelina hob den Kopf und ärgerte sich sofort darüber, denn Franziskas Lächeln weitete sich zu einem Grinsen aus.
«Er ist wirklich nett. Hat sich sogar ein bisschen mit mir unterhalten. Dabei schickt sich das nicht, wo er doch jetzt so hochgestellt ist. Habt Ihr gehört, dass der Ratsherr Reese ihn als städtischen Medicus vorgeschlagen hat? Und sie haben ihn angenommen. Jetzt kriegt er zu seinen Patienten noch die ganzen Aufträge vom Rat, wenn irgendwo in der Stadt offiziell ein Unfall oder eine Krankheit untersucht werden muss. Ich sag Euch, da kann er ganz schön stolz drauf sein.»
«Das kann er wohl», murmelte Adelina.
«Ich hab ihn gefragt, ob er mal wieder hierher zu Besuch kommt. Weil Euer Vater nach ihm gefragt hat und so.» Plötzlich legte Franziska den Kopf auf die Seite und dachte über etwas nach, das ihr anscheinend jetzt erst bewusst geworden war. «Er hat gesagt, dass er im Augenblick nicht zu Besuch kommt, weil Ihr ihn wahrscheinlich nicht sehen wollt. Ist das wahr?»
Schweigend räumte Adelina auch noch die Trinkbecher vom Tisch ab und stellte sie mit einem harten Klacken ebenfalls auf den Spülstein.
«Es ist auf jeden Fall besser, wenn er nicht mehr herkommt. Er ist … wir hatten … eine Meinungsverschiedenheit.»
«Aber …» Franziska wollte protestieren, hielt sich jedoch zurück, als sie die strenge Miene ihrer Herrin sah.
«Das Thema ist beendet», sagte Adelina. «Geh jetzt.»
«Schade», murmelte Franziska und zog den Kopf ein. Dann ging sie, um endlich das Wasser zu holen.
***
Zunächst machte Adelina sich daran, die Räume im ersten Stock von Staub und Mäusekot zu befreien. Viel zu schnell war sie fertig und blieb vor der Stiege zur Dachkammer stehen. Es widerstrebte ihr zutiefst, dort hinaufzugehen und auch nur einen Fuß in das Zimmerchen zu setzen.
Nachdem sie jedoch eine geraume Weile auf die wurmstichigen Treppenstufen gestarrt hatte, packte sie entschlossen Besen und Putzeimer und schalt sich eine dumme Gans. Vom Herumstehen wurde die Kammer nicht sauber, und vom Grübeln kam Burka nicht zurück. Und es war auch besser so, redete sie sich ein. Sie würde ihm noch oft genug in der Stadt oder unten in der Apotheke begegnen. Der Gedanke allein bereitete ihr schon wieder Bauchschmerzen.
Stufe um Stufe erklomm sie, bis sie vor der Tür stand. Sie zögerte nur einen Moment, dann drückte sie sie mit dem Ellenbogen auf und trat in die Kammer ein.
Es roch noch nach ihm. Oder bildete sie sich das nur ein? Das Bett war gemacht, wenn auch ungeschickt. Die Kleidertruhe stand offen und stellte ihre gähnende Leere zur Schau. Der Stuhl war ordentlich vor das schmale Schreibpult gerückt. Alles in allem machte das Kämmerchen einen bedrückend verlassenen Eindruck. Adelina lehnte den Besen an das Pult und stellte den Eimer auf dem Boden ab. Dann drehte sie sich um, um die Tür zu schließen, und ihr Herz begann heftig zu pochen. Am Haken hing noch immer Burkas Mantel, der,den sie an den fadenscheinigen Stellen geflickt hatte. Vorsichtig nahm sie ihn vom Haken und betrachtete ihn lange. Ludowig musste ihn übersehen haben, als er die Kisten geholt
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