Tod im Beginenhaus
hatte.
Plötzlich waren alle Gedanken ans Saubermachen vergessen. Sie ließ sich auf das schmale Spannbett sinken und schluckte krampfhaft, doch davon wurde es noch schlimmer. Langsam hob sie den Mantel an ihr Gesicht; er roch noch immer leicht nach der Seife, mit der sie ihn gewaschen hatte … und metallisch. Neklas Burka eben. Sie presste ihr Gesicht in den Stoff und versuchte, die Fassung zu bewahren. Sie wusste, weinen würde nicht helfen. Doch der Drang war übermächtig. Von unten wurden plötzlich Geräusche und Stimmen laut. Franziska sprach mit jemandem, lachte, sprach wieder. Adelinas Herz begann zu rasen. Sie wusste, sie sollte besser aufstehen, doch ihre Glieder gehorchten ihr nicht. Unten klappte eine Tür, dann war es einen Moment still. Adelina lauschte und vergaß beinahe zu atmen. Da wurden Schritte auf der Stiege laut, aber es war eindeutig Franziska. Die Magd trug hölzerne Arbeitsschuhe, die beim Gehen stets einen Heidenlärm verursachten.
«Herrin?» Das Mädchen streckte vorsichtig den Kopf zur Tür herein. «Der Messerschleifer war eben da und hat gesagt, dass er morgen kommt, um Euren Auftrag zu erledigen. Und er hat sich entschuldigt, dass es so lange …»
Als Adelina nicht reagierte, verstummte Franziska und trat in den Raum. «Herrin, ist etwas mit Euch? Ihr seid so blass!» Sie kam noch näher. «Ist das Magister Burkas Mantel?»
«Er hat ihn wohl hier vergessen», krächzte Adelina erstickt.
«Na so was. Soll ich den Mantel …» Franziska verstummte und legte den Kopf auf die Seite. Adelina blickte zu ihr auf und wusste, dass ihr versuchtes Lächeln ausgesprochen kläglich ausfiel.
«Vielleicht …» Franziska zögerte. «Also, vielleicht solltet Ihr ihm den Mantel zurückbringen. Sicher braucht er ihn.»
Adelina schüttelte stumm den Kopf. Keinesfalls würde sie noch einmal das Haus in der Brückenstraße betreten.
Franziskas Augen wanderten zwischen Adelina und dem Mantel hin und her.
«Auch wenn Ihr einen Streit mit ihm habt, wäre er sicher erfreut, wenn Ihr ihm den Mantel bringt», sagte sie. Doch Adelina schüttelte wieder den Kopf, diesmal heftiger.
«Nein, Franziska, so einfach ist das nicht. Wir hatten keinen Streit. Ich … Es ist so, ich habe etwas getan, das immer zwischen uns stehen wird. Etwas, das er mir niemals verzeihen wird. Ich verstehe das, deshalb will ich ihn nicht mehr treffen.»
«Ihr habt ihn sehr gern, nicht wahr?» Franziska wurde puterrot, als sie sich bewusst wurde, wie ungezogen ihre Frage war. Aber nun war sie heraus, und sie nahm sie nicht zurück. Adelina antwortete nicht, sondern presste die Lippen zusammen.
Franziska runzelte die Stirn und ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder.
«Wisst Ihr, was ich meine?» Adelina sah erstaunt in das offene Mädchengesicht. Franziska lächelte. «Ich weiß nicht, was Ihr getan habt und ob es wirklich so schlimm gewesen ist, wie Ihr glaubt. Aber … Ihr müsst Euch wohl erst selbst verzeihen. Denn wie sollen einemandere Menschen verzeihen, wenn man es selbst nicht tut?»
Adelina dachte einen Moment über ihre Worte nach, dann stand sie abrupt auf und warf den Mantel auf das Bett.
«Er verachtet mich … zu Recht.» Sie griff nach dem Putzlappen im Eimer und wrang ihn aus. Franziska sah ihr dabei zu, dann stand sie auf und wandte sich zum Gehen. An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
«Nein, das tut er nicht», sagte sie voller Überzeugung. «Aber Ihr tut es selbst, und das ist nicht gut. Ich … mag Euch gern, Herrin. Und ich mag den Herrn Magister gern. Ihr solltet ihm den Mantel bringen.»
Die Tür fiel hinter Franziska ins Schloss, und sie klapperte die Stiegen hinunter. Adelina schüttelte den feuchten Lappen aus und begann dann, mit präzisen Bewegungen die Platte des Schreibpults abzuwischen.
***
Albert ging es wieder gut. Wenigstens schien es so. Am Nachmittag des folgenden Tages machte er sich mit Vitus auf den Weg zum Hafen. Es hieß, das Schiff mit den Spezereien, das für Februar erwartet wurde, sei bereits jetzt eingelaufen, und Albert hatte bei dem Eigner eine Lieferung Süßholz und bittere Mandeln bestellt.
Adelina kümmerte sich um die Kunden der Apotheke und brachte Ordnung in die Abrechnungsbücher. Aber sie war nicht richtig bei der Sache. Immer wieder wanderte ihr Blick zu Burkas Mantel, den sie an der Ecke des Regals neben der Haustür aufgehängt hatte. Irgendwann würde er kommen, um Arzneien zu holen. Dann würde sie ihm den Mantel einfach mitgeben. Doch ihr Gefühl
Weitere Kostenlose Bücher