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Tod im Dom

Tod im Dom

Titel: Tod im Dom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziegler
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Machetzky.
    Und dann an Anja.
    Prompt drang eine vertraute Stimme durch den roten Nebel: »Oh, Harry, es tut mir ja so schrecklich leid!«
    Also hatten sie auch Anja erwischt.
    Ich stöhnte, bewegte den Kopf und ließ es sofort bleiben, um den Preßlufthammer nicht noch mehr zu reizen. Quälend langsam lichtete sich der Nebel vor meinen Augen, und ich sah über mir Anjas tränenfeuchte Teleskopbrille.
    »Keine Panik«, krächzte ich mit gespieltem Optimismus, »noch ist nicht alles verloren.«
    Irgendwo lachte jemand; es klang ausgesprochen häßlich. Mir schwante Böses, und trotz des rasend aktiven Preßlufthammers unter meiner Schädeldecke drehte ich mich zur Quelle des häßlichen Lachens um.
    »O nein!« stöhnte ich.
    »O ja«, sagte Anja traurig.
    »Hallo, Hendriks«, grinste der Major. »Was für eine nette Überraschung!«
    Der Sturzflug über die Böschung hatte ihn nicht hübscher gemacht. Die dunkelroten Schrammen am Kinn, die grünstichige Beule an seiner Stirn und die rötlichblau schillernde Nase brachten zwar ein wenig Farbe in sein häßliches Gesicht, ließen ihn aber noch abstoßender wirken, als er es ohnehin schon war.
    Und der haßerfüllte Ausdruck seiner Augen sagte mir, daß er mir die Sache mit der Handgranate noch längst nicht verziehen hatte.
    »Hallo, Major«, sagte ich rauh, »hätten Sie vielleicht ein Aspirin für mich?«
    Er lachte und deutete damit an, daß er meine Bitte nicht unbedingt ernst nahm.
    »Vielleicht sollten wir dem kleinen Scheißer ’ne Kugel verpassen«, drang es aus einem anderen Teil des Zimmers. »Bei Machetzky hat’s geholfen. Der hat keine Kopfschmerzen mehr.«
    Es war der zähe Paul. Die Zahl der Pflaster in seiner Visage hatte sich nicht erhöht, doch ihm fehlten ein paar Zähne, wie ich feststellen konnte, als er näher trat und mir die Schuhspitze in die Seite bohrte.
    »Hören Sie auf damit!« schrie Anja.
    Paul holte mit der flachen Hand aus und knallte ihr eine. Ich griff nach seinem Bein und zog daran, doch das teuflische Gas hatte mich schwer mitgenommen. Paul schwankte nicht einmal, sondern schüttelte meine Hand ab und verpaßte mir den nächsten Tritt.
    »Das reicht, Paul«, sagte der Major.
    Dem konnte ich nur zustimmen.
    »Wir sind schließlich keine Unmenschen«, fügte er hinzu.
    Da war ich mir nicht so sicher.
    »Außerdem sind die beiden schon so gut wie tot«, schloß er.
    Das entsetzte mich.
    Es war meine Schuld, ganz allein meine Schuld. Ich hätte besser aufpassen müssen. Verdammt, ich hatte doch gewußt, daß Paul und der Major noch im Spiel waren! Warum hatte ich Machetzkys Versicherung vertraut, daß niemand von Bollmanns Haus wußte?
    Machetzky war tot, und Bollmann…
    Was war mit Bollmann passiert?
    War auch er tot? Und Dorn und Wernecke? Hatte es sie alle erwischt?
    »Stehen Sie auf, Hendriks«, befahl der Major. »Los, machen Sie schon!«
    Paul bekräftigte die Anweisung mit einem Fußtritt, und mir blieb nichts anderes übrig, als den Preßlufthammer in meinem Kopf zu ignorieren und mich aufzurappeln. Anja stützte mich, aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich Gummi in den Knochen.
    Dieses verfluchte Gas…
    Aber warum hatten sie mich nur betäubt und nicht wie Machetzky erschossen? Trotz der unverhüllten Drohung des Majors keimte neue Hoffnung in mir auf.
    »Es tut mir so schrecklich leid, Harry«, schluchzte Anja und preßte sich schutzsuchend an mich. »Ich konnte nichts tun. Sie waren plötzlich da und hatten Maschinenpistolen und…«
    »Hören Sie mit dem Gejammer auf«, fiel ihr der Major barsch ins Wort. »Ich habe Sie gewarnt, aber Sie mußten ja weiter herumschnüffeln.«
    Ich rieb mir den schmerzenden Kopf und spielte einen Moment mit dem Gedanken, mich auf den Major zu stürzen, aber die Makarow in Pauls Hand – es war meine Makarow – hielt mich davon ab. Ich sah mich im Zimmer um, dessen auf altdeutsche Gemütlichkeit getrimmte Einrichtung mich in meiner derzeitigen Verfassung nur deprimierte, fand aber keine Spur von Machetzkys Leiche.
    Anja schluchzte noch immer, und ich streichelte tröstend ihre Schulter. Paul und der Major sagten nichts, starrten uns nur an, als überlegten sie, wen von uns sie zuerst abmurksen sollten. Das Schweigen beunruhigte mich. Besser, ich sagte etwas. Am besten irgend etwas Kluges.
    »Was haben Sie mit uns vor?« wandte ich mich an den Major. »Können wir uns nicht irgendwie einigen? Alles vergessen und ganz von vorn anfangen?«
    Er öffnete den Mund, doch er kam nicht dazu,

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