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Tod im Dünengras

Tod im Dünengras

Titel: Tod im Dünengras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Pauly
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wieder in Sörens
Brusttasche steckte. »Jetzt wäre eine gute Gelegenheit, sich um den
Telebildabgleich zu kümmern.«
    Sören nickte zufrieden. »Schauen wir mal, ob noch jemandem außer
Ihrer Schwiegermutter diese Visage bekannt vorkommt.« Beschwingten Schrittes
entfernte er sich.
    Mamma Carlotta spürte, dass sie zitterte. Beruhigend drückte Dr.
Hillmot ihren Arm, während er neben ihr auf die große Tür zuschnaufte, und
öffnete sie dann so schwungvoll, als wartete dahinter ein Kurorchester und
nicht ein nackter Mann mit einem Schildchen am großen Zeh.
    Mamma Carlotta blieb vor der geöffneten Tür stehen. »In einer Stunde
muss ich aber wieder zu Hause sein«, erklärte sie. »Dann kommen die Kinder von
der Schule. Und solange ich auf Sylt bin, werden die beiden sich an einen
gedeckten Tisch setzen und ein gesundes, nahrhaftes Essen bekommen!«
    Dr. Hillmot nickte. »Es wird nicht lange dauern. Entweder Sie kennen
ihn, oder Sie kennen ihn nicht.«
    Â»Va bene!« Mamma Carlotta richtete sich zu ihrer vollen Größe auf
und betrat den Raum. Erst jetzt gestand sie sich ein, dass sie Angst hatte.
Angst vor diesem Tod, der so ganz anders war als der Tod, den sie kannte.
Leichen hatte sie in ihrem Leben schon oft gesehen, denn in ihrem Dorf wurde
noch zu Hause gestorben. Aber ein Mordopfer? Das war Carlotta Capella noch nie
unter die Augen gekommen. Würde der Tote entstellt aussehen? Misshandelt,
verstümmelt, verunstaltet?
    Aber Dr. Hillmot beruhigte sie: »Sein Gesicht ist unversehrt. Dass
sein Hinterkopf zertrümmert wurde, werden Sie gar nicht bemerken.« Um Mamma
Carlotta vollends zu besänftigen, führt er ein paar Details auf, die einen
Gerichtsmediziner beruhigen mochten, nicht aber eine italienische Mamma, die
damit rechnen musste, in das bleiche Antlitz eines ermordeten Verwandten zu
blicken. »Die Verletzungen sind flächiger Natur, aber ich verspreche Ihnen, Sie
werden nichts davon sehen. Aus Mund, Nase und Ohren ist natürlich viel Blut
ausgetreten, das ist nun mal so bei schweren Schädel-Hirn-Verletzungen. Aber
ich habe alle Öffnungen gründlich gereinigt.«
    Dr. Hillmot schien der Ansicht zu sein, dass alles getan war, um
Mamma Carlotta den Besuch in der Pathologie so leicht wie möglich zu machen.
Und er fühlte sich bestätigt, als sie keinen Versuch unternahm, die Flucht zu
ergreifen.
    Sie flüsterte ein letztes Mal »Madonna!«, dann fühlte sie sich stark
genug, um auf den Tisch zuzugehen, auf dem unter einer weißen Decke ein
menschlicher Körper lag.
    Am liebsten hätte sie nach Eriks Hand gegriffen, um sich seiner Nähe
ganz sicher zu sein. Aber sie wusste ja, wie wenig er es schätzte, wenn in
seiner Gegenwart Gefühle gezeigt wurden. Umso bemerkenswerter, geradezu
überwältigend war es, als sie spürte, dass sich seine Hand unauffällig auf
ihren Rücken legte. Für diese wunderbare Geste hätte sie sich bereit erklärt, zehn
weitere Leichen in Augenschein zu nehmen.
    So war sie ganz gefasst, als Dr. Hillmot das weiße Tuch vom Gesicht
des Toten nahm. Schweigend betrachtete sie seine bleichen Lippen, die
eingefallenen Wangen, die spitze Nase, die violetten Augenlider. Durch ihre
Erinnerung lief ein vorlauter, aufsässiger kleiner Junge, dessen Augen flink
umherhuschten und nirgendwo haften blieben, ein Junge, der seine Sehnsucht
zeigte, aber niemandem sagte, wonach er sich sehnte. Dann der Jugendliche, der
rebellierte, ohne zu wissen, wogegen, ein Kind, das niemand lieb haben konnte,
ein Jugendlicher, den niemand mochte.
    Erik ertrug das Warten nicht länger. »Ist er es?«, flüsterte er in
Mamma Carlottas Rücken.
    Sie betrachtete noch einmal das leblose Gesicht, dann drehte sie sich
zu Erik herum. »Ich … ich weiß es nicht.«
    Erik sah sie enttäuscht an. »Du weißt es nicht?«
    Â»Nicht sicher. Ich habe ihn so lange nicht gesehen. Und ich kannte
ihn nicht besonders gut.«
    Erik gab Dr. Hillmot einen Wink, der das Tuch wieder über das
Gesicht des Toten zog. »Aber du kannst nicht ausschließen, dass er es ist?«
    Mamma Carlotta nickte. »Er könnte es sein. Nur … sicher bin ich nicht.«
    Erik griff nach ihrem Arm und schob sie dem Ausgang entgegen. »Ich
werde heute noch den Mafia-Spezialisten nach Francesco Corrado fragen.« Er
blieb stehen und runzelte die Stirn. »Wie

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