Tod im Dünengras
Waschküche
aufgeschoben und sich erkundigt, ob er den Arzt holen solle, er mache sich
Sorgen. Mamma Carlotta war beleidigt. Tödlich beleidigt!
Sie knallte die Fischpastete auf den Tisch, ohne auf das
heuchlerische Lob zu hören, das sie erntete, warf das Ciabatta-Brot und ein
Messer daneben und erkundigte sich mit keiner Silbe danach, warum Erik bei
Nacht und Nebel das Haus hatte verlassen müssen. Dass sie sich nicht für die
Arbeit ihres Schwiegersohnes interessierte, würde ihn genauso kränken, wie sie
von seinem Spott gekränkt worden war. Ãrgerlich war allerdings, dass sie damit
auch sich selbst strafte, denn natürlich hätte sie gern gewusst, ob ein neuer
Mord auf der Insel geschehen war, der Erik um seine Nachtruhe gebracht hatte.
Aber ihr war auf die Schnelle einfach nichts anderes eingefallen,
womit sie ihm zeigen konnte, wie tief verletzt sie war. Während sie das
Olivenöl erhitzte und an den Knoblauchzehen ihre Wut auslieÃ, gab sie sogar
vor, sich kein bisschen für das Gespräch der beiden Männer zu interessieren,
die über einen Toten redeten, der bei der Buhne 16 im Dünengras gefunden worden
war.
Die Sardellenfilets machten gerade Anstalten, sich aufzulösen,
bedurften also gröÃter Aufmerksamkeit, da fiel Mamma Carlotta ein, dass sie für
die Füllung der Tomaten hart gekochte Eier brauchte. Pouletfleisch und
Stangensellerie waren bereits vorbereitet, aber da die Eier nicht nur hart
gekocht, sondern auch erkaltet sein mussten, ehe sie gehackt werden konnten,
wurde es höchste Zeit, sich um sie zu kümmern.
Wenn Carlotta Capella zornig war, wurden ihre Bewegungen
unkoordiniert, wenn sie es eilig hatte, hetzten ihre Augen schon zum zweiten
Handgriff, wenn der erste noch nicht ausgeführt war. Sobald sie gleichzeitig
wütend und in Zeitnot war, musste man sich vor ihr in Acht nehmen, vor allem
wenn sie mit heiÃem Ãl und kochendem Wasser hantierte.
Sören zuckte ängstlich zusammen, als Mamma Carlotta die Eier aus dem
Kühlschrank holte und gleichzeitig in der Pfanne rührte, in der einige
Sardellenfilets um ihre Aufmerksamkeit bettelten, um eine Havarie kam er aber
trotzdem nicht herum: Mamma Carlotta bückte sich, noch während sie die
Kühlschranktür schloss, um ein Rucolablättchen aufzuheben, das ihr unter die
FüÃe geraten war. Sören sah eine Kollision mit ihrer Kehrseite auf sich
zukommen, die er unbedingt vermeiden wollte, und rückte rasch den Stuhl nach
hinten. Dabei landete ein Stuhlbein auf dem Fuà seines Chefs. Der schrie auf,
kippte den Stuhl nach vorn und damit seinen Assistenten in die Arme von Mamma
Carlotta.
Die war erschrocken herumgefahren, als sie merkte, was sich hinter
ihrem verlängerten Rücken abspielte. Dabei rutschte das Foto des Toten aus
Sörens Brusttasche und fiel Mamma Carlotta auf die nagelneuen Sneakers.
Im selben Moment war ihr Ãrger auf Erik und Sören vergessen, die
Sardellenfilets und die Eier ebenfalls. Mit bebenden Händen nahm sie das Foto
zur Hand und betrachtete das bleiche, leblose Gesicht, die blau umschatteten Lider,
den farblosen Mund.
»Der Mann ist heute Morgen tot aufgefunden worden«, sagte Erik, der
seiner Schwiegermutter das Foto gern wortlos abgenommen und weggesteckt hätte.
Doch da er sie auf keinen Fall noch einmal kränken wollte, lieà er es ihr und
ergänzte vorsichtig: »Der Fall darf noch nicht an die Ãffentlichkeit. Ich kann
mich doch auf deine Verschwiegenheit verlassen?«
Aber Mamma Carlotta hörte seine Worte nicht. Und sie hatte die
schwere Beleidigung, die Königskinder, die Pasta alla rucola und auch die
Pomodori luculli vergessen, als sie sagte: »Das ist Francesco.«
Sören warf seinem Chef einen intensiven Blick zu, während
er an seiner Seite die Treppe hinaufstieg. Seine Augen fragten: Glauben Sie
wirklich, dass wir ihr das zumuten können? Und er wirkte nicht ruhiger, als
Eriks Augen antworteten: Wird schon gehen. Es muss einfach sein.
Zum Glück hatte Mamma Carlotta sich nach dem ersten Schreck schnell
wieder beruhigt und schritt nun aufrecht und gefasst vor ihnen die Treppe hoch.
Das Entsetzen war, während sie erzählt hatte, Stück für Stück von ihr
abgefallen, am Ende war nur noch eine vage Ãhnlichkeit zwischen Francesco und
dem toten Mann übrig geblieben. Sie wiederholte es ein ums andere Mal: »Ich
habe ihn selten gesehen, er war ja nur ein
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