Tod im Dünengras
Polizeirevier fuhr Erik Wolf langsam â wie
immer, wenn er in Gedanken war â ohne sich von der Ungeduld anderer
Verkehrsteilnehmer drängen zu lassen. Sören, der seinen Chef gut kannte,
schwieg und versuchte nur, durch erhöhte Aufmerksamkeit Schlimmstes zu
verhüten. Selbstverständlich ging er davon aus, dass Erik in Gedanken bei dem
toten Mafioso war und sich überlegte, welche Schritte zu unternehmen seien,
wenn dessen Identität einwandfrei feststünde. Hätte er gewusst, dass Erik über
ein privates Problem nachdachte, hätte er seinen Chef sicherlich zur Eile
angetrieben.
Carolin hatte ihrem Vater den Rücken zugedreht und nicht einmal
einen knappen Gruà für ihn übrig gehabt! Eine bedrückende Erfahrung, die Erik
zurzeit mehr belastete als seine Angst vor der Mafia. Als sie in den Süder Wung
eingebogen waren, um Mamma Carlotta zu Hause abzusetzen, hatte er gesehen, dass
Carolin ihr Fahrrad an den Gartenzaun lehnte. Ebenso der Junge, dieser ⦠wie
hieà er nun eigentlich? Florian? Michael? Besser, er sprach ihn nie wieder mit
Namen an, wenn er die Vergebung seiner Tochter erlangen wollte.
Wie empfindlich sechzehnjährige Mädchen reagierten! Erik fand es
maÃlos übertrieben, dass Carolin sich abwandte, als sie seinen Wagen erkannte,
und ihren Freund anstieÃ, damit er ihr hinters Haus folgte, wo sie beide vor
Erik sicher waren. Und das alles nur, weil er den Vornamen verwechselt hatte!
Er würde es nie begreifen.
»Was machen wir eigentlich, wenn sich der Verdacht Ihrer
Schwiegermutter bestätigt?«, fragte Sören und riss damit Erik aus seinen
Gedanken. »Wenn dieser tote Mafioso wirklich ihr angeheirateter Verwandter sein
könnte?«
»Dann brauchen wir Gewissheit. Wir müssen einen Verwandten nach Sylt
holen, der ihn eindeutig identifizieren kann. Seine Mutter oder seine Tante.
AuÃerdem müssten wir einen DNA-Vergleich
mit den italienischen Behörden machen.«
Sören nickte. »Bin gespannt, was es mit dem Ring auf sich hat.«
Erik bog auf den Hof des Polizeireviers ein. »Als Erstes müssen wir
in Flensburg anrufen und die Dolmetscherin anfordern. Ich rechne noch heute mit
Girottis Anruf.«
Sören grinste. »Notfalls haben wir ja noch Ihre Schwiegermutter. Die
übernimmt die Aufgabe sicherlich gern. SchlieÃlich will sie wissen, wie es
ihrer Cousine geht.«
Erik verzichtete auf eine Antwort. Als er den Motor abgestellt
hatte, blieb er im Wagen sitzen und starrte durch die Windschutzscheibe.
»Ist noch was?«, fragte Sören besorgt.
Erik nickte. »Wir haben zwar im Moment viel zu tun«, begann er
zögernd, »aber ⦠wenn Sie mal Zeit haben, Sören, können Sie
dann nach einer Familie Silbereisen auf Sylt fahnden?«
Sören starrte ihn mit offenem Mund an. »Das ist jetzt ein Scherz,
oder?«
Erik zog den Schlüssel ab und stieg aus. »Okay, wir haben Besseres
zu tun, Sie haben ja recht. Aber vielleicht später ⦠wenn unser Fall
gelöst ist.«
Er ging auf den Hintereingang des Gebäudes zu, ohne weiter auf Sören
zu achten. Erst im Revierraum, wo Enno Mierendorf ein Telefongespräch führte
und Rudi Engdahl eine Diebstahlanzeige aufnahm, drehte er sich zu Sören um.
Unter dem erwartungsvollen Blick seines Assistenten suchte er in seinen Taschen
herum, bis er fand, was er suchte. »Den hat Dr. Hillmot in der GesäÃtasche des
Toten gefunden.« Er streckte Sören den Schlüssel hin. »Versuchen Sie mal, die
passende Tür dazu zu finden. Dahinter wird der Mafioso gewohnt haben. Und wenn
wir dort eine Hausdurchsuchung machen, werden wir hoffentlich auf interessante
Dinge stoÃen.«
Sören betrachtete mürrisch den Schlüssel. »Auf Sylt gibt es Tausende
von Wohnungen, die mit einem solchen Schlüssel geöffnet werden«, maulte er, da
er solche Aufgaben nicht liebte.
»Was ist mit Ihrer Tante?«, fragte Erik. »Die arbeitet doch in der
Kurverwaltung. Vielleicht hat die eine Idee. Die Staatsanwältin will
Ermittlungsergebnisse von uns!«
In diesem Moment legte Enno Mierendorf den Telefonhörer auf. »Die
wartet übrigens auf Sie«, sagte er. »In Ihrem Zimmer. Schon seit einer halben
Stunde.«
Sören änderte schlagartig seine Dienstauffassung und lief zur Tür.
»Bin schon unterwegs!«, rief er über die Schulter zurück. »Vielleicht kann man
mir
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