Tod im Dünengras
zur Seite
gelegt, um endlich ihre Pension modernisieren zu können, nun standen sie vor
dem Nichts.
Aber mittlerweile schien sich etwas geändert zu haben. Mamma
Carlotta gab anerkennende Laute von sich, sagte mehrmals »caspita«, was, soviel
Erik wusste, »Donnerwetter!« hieÃ, und verabschiedete sich anschlieÃend mit so
viel Gekicher, dass daraus nur ein Schluss zu ziehen war: Francesco war ein
guter Junge geworden und hatte in Chiusi eine Familie gegründet. Erik schob die
Hoffnung beiseite, der Identität des Toten auf die Spur zu kommen. Wäre ja auch
zu schön gewesen!
Doch kaum hatte Mamma Carlotta das Gespräch beendet, fiel ihr das
Lächeln aus dem Gesicht. Erik hatte die Absicht gehabt, sie an die hart
gekochten Eier zu erinnern, mit denen die Tomaten gefüllt werden sollten, aber
als sie sich schwer auf einen Stuhl fallen lieÃ, vergaà er die Eier sofort wieder.
»Hast du mit der Mutter gesprochen? Was hat sie gesagt?«
Carlotta schüttelte benommen den Kopf. »Giovanna war am Apparat. Du
weiÃt doch, die mal mit dem deutschen Schlagersänger zusammen war und lange in
München gelebt hat.«
Längst hatte Erik sich daran gewöhnt, dass seine Schwiegermutter von
Leuten redete, die er angeblich kannte, deren Namen ihm aber völlig fremd
waren. In diesem Falle flog jedoch tatsächlich eine Erinnerung an ihn heran.
Die Aufregung war seinerzeit groà gewesen, als es hieÃ, Giovanna selbst könne
in Kürze Starruhm genieÃen. Denn der Schlagersänger hatte sie zu einer seiner
Background-Sängerinnen gemacht, und Giovanna war von da an häufig im Fernsehen
zu bewundern gewesen. In Umbrien wartete man seitdem darauf, dass ein Produzent
kommen, Giovanna entdecken und sie nach vorn ins Rampenlicht holen würde. Was
daraus geworden war, konnte Erik nicht sagen. Wenn er es sich genau überlegte,
hatte er weder von Giovanna noch von dem Schlagersäger in den letzten Jahren
etwas gehört.
»Giovanna ist Marias Schwester, also Francescos Tante«, erklärte
Mamma Carlotta. »Er hat sich vor Kurzem bei der Familie gemeldet. Jahrelang war
er verschwunden und nun â¦Â« Sie rang
nach Luft, als hätte sie ihren gesamten Atemvorrat im Gespräch mit Giovanna
verbraucht. »Vor ein paar Wochen hat er angerufen, stell dir das vor, Enrico!
Obwohl niemand mehr daran geglaubt hat, scheint doch noch etwas aus ihm
geworden zu sein. Er arbeitet regelmäÃig, hat er erzählt, und verdient gut. Er
hat seinen GroÃeltern sogar schon einen Teil des Geldes erstattet, das er ihnen
gestohlen hat. Und den Rest will er ihnen auch bald schicken.«
Erik runzelt die Stirn. »Leben die beiden Alten noch?«
»Naturalmente! Sonst hättest du doch längst eine Nachricht bekommen
und wärst zur Beerdigung nach Chiusi gefahren!«
Erik beugte sich über den Pastateller und versuchte ein paar
Rucolablättchen aufzuspieÃen. Nach Lucias Tod hatte er sämtliche Todesanzeigen,
die ihn erreicht hatten, unbeachtet zur Seite gelegt. Nie im Leben wäre er auf
die Idee gekommen, zu einer Beerdigung nach Chiusi zu fahren.
»Francesco hat sogar erzählt, dass er heiraten will. Er ist
schrecklich verliebt. In eine Deutsche! Stell dir das vor!«
Erik zuckte zusammen. »Soll das heiÃen â¦?«
»Er ist in Deutschland, ja!«
»Wo in Deutschland?«, fragte Sören aufgeregt.
»Das wusste Giovanna nicht.«
»Dann könnte es also sein«, stellte Erik fest und strich sich
ausgiebig den Schnauzer glatt.
Das tat er auch, während er nun beobachtete, wie Mamma
Carlotta von Dr. Hillmot in Empfang genommen wurde. »Signora! Wie schön, dass
Sie mich besuchen!«
»Er tut so«, raunte Sören seinem Chef zu, »als betriebe er hier ein
gemütliches Café. Ob Ihre Schwiegermutter weiÃ, worauf sie sich einlässt?«
»Die ist hart im Nehmen. Sie hat dem Zimmermann in ihrem Dorf schon
oft geholfen, wenn er einen Sarg fertig hatte und jemanden brauchte, der ihm
die Leiche schminkte.«
Sören schüttelte sich. »Manchmal kommt es mir so vor, als hatte die
Signora in ihrem einsamen Dorf schon mehr erlebt als wir hier auf unserer
Schickimicki-Insel.«
Eriks Miene verschloss sich. »Warten Sie ab! Wenn auf Sylt die Mafia
das Sagen hat, werden wir mehr erleben, als uns lieb ist. Wo ein Mafioso
erschossen wird, gibt es Krieg!« Er zeigte auf das Foto, das
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