Tod im Frühling
eifrig: » Treffen wir uns doch zum Mittagessen. Ich will alles über Entführungen wissen. Ich habe gehört, daß Sie da Fach m ann sind. «
» Notgedrungen. In dieser Gegend… «
»Ich hole Sie um eins ab . «
» Aber… Sie haben doch gar keinen Wagen… «
»Ich habe schon einen, aber ich benutze ihn nie, es sei denn, m ein Assistent fährt. Fahren verträgt sich nicht m it m ei ner Raucherei. Ich laß m ir v o n Ihrem Wachraum aus ein Taxi rufen. «
Und schon war er fort. Er hatte sich seinen Regen m antel um die Schultern geworfen und eilte nun über den Hof durch den a l ten Kreuzgang, der zum Ausgang führte. Eine aromatisch duftende blaue Rauchfahne m arkie r te seinen Weg .
Capitano Maestrangelo ging hinauf zu seinem Büro. Er setz t e sich und rieb sich erschöpft mit der Hand übers Gesicht. Wenn hier in der Gegend jemand entführt wurde, bedeutete das in der Regel, daß die sardischen Schäfer irgendwie da m it zu tun hatten. Das wußte er aus langer E rfahrung. Schon vor gut zwanzig Jahren hatten die ersten Schäfer zusa mm en m i t ihren Herden die Insel verlassen, und der Strom der Zuwanderer war seitdem nicht m e hr abgerissen. Ihre Schafe ließen sie in den Hüge l n um Florenz weiden. Sie blieben u nter sich, verkehrten nie m it den Florentinern – die ih r e Kunst der Käsehers t ellung genauso bewunderten, wie sie über ihre Entführungen e m p ört waren. Die Sarden waren Experten in beiden Tätigkeite n , für die ihre entlegenen, von üpp i gen toskan i schen Weiden u m gebenen Behausungen geradezu ideal waren. Der Capitano ließ sich v on seinem Adjutanten die Akte Sardinien bringen und ging daran, eine Gruppe seiner erfahrensten Leute auszuwählen .
»Calaresu, Giovann i ? «
»Er sitzt . «
» Das würde ihn nicht dran hindern. Überprüfen S i e, ob in letzter Zeit irgendwelche seiner Zellengenossen rausgekom m en sind. Wo ist seine Frau ? «
»Ist m it den Kindern zurück nach Sardinien zu ihrer Mutter. Er hat acht Jahre gekriegt . «
» Stellen Sie fest, ob er irgendwelchen Besuch gehabt hat. «
» De m ontis, Salvatore. Er könnte unser Mann sein – er wohnt in der Nähe von Pontino. «
» Möglich. Aber vergessen Sie nicht, wir wissen nicht, wo diese Mädchen wohnen. Schauen Sie auf jeden Fall m al da vorbei. Weiter . «
Der Adjutant öffnete die nächste Akte vom St a pel auf dem Tisch des Capitano .
» Mundula, Mario. «
» Den kenn ich nicht . «
» Keine Vorstrafen, Capitano. Sie leben seit den fünfziger Jahren hier. Keine Kinder. Sein Bruder lebt m i t ihnen zusam m en. Sie besitzen zwei Höfe und vier- bis fünfhundert Schafe. Zie m lich wohlhabend. «
Sie legten die Akte auf d i e Seite .
Der Capitano führte eine Akte über die gesa m te sardische Bevölkerungsgruppe in der Toskana. So viele von ihnen waren m i teinander verwandt oder ka m en aus de m selben sardischen Dorf, daß gewöhnlich jeder, ob m it oder ohne Vorstrafen, ihm etwas sagen konnte, wenn er wollte. Doch wenn m an sie n icht regelrecht zwang, sagte keiner etwas. Wenn m an sie nicht regelrecht zwang, waren sie die verstocktesten und schweigsa m sten Menschen der Welt. Sie schwiegen aus Stolz und aus einem Gefühl der Unabhängigkeit heraus, nicht aus Angst. Trotz der Arbeit und des vielen Ärgers, die sie ihm m achten, m ochte der Capitano die Sarden .
» P iladu, Paolo ? «
» Der ist in Ordnung, aber sein Ältester hat ein- oder zwei m a l was angestellt. Statten Sie denen m al e inen Besuch ab und erkundigen Sie sich, was der Junge gerade so m acht, ob er Arbeit hat. Seinem Vater war er nie eine große Hilfe . «
Den restlichen Morgen arbeiteten s i e sich durch die Akten durch. Es war eine Rou t inearbeit, die sie schon so oft erledigt hatten, daß ihre Ko mm e n tare m eistens nur aus halben Sätzen oder kaum hörbarem Brum m e n bestanden. Um zwanzig vor eins waren sie fertig. Der Capitano warf einen Blick auf seine Uhr. Se i ne Männer hätten um zw ö lf Dienstschluß haben sollen, aber er konnte nur die zwei entlassen, die er durch erfahrene Männer der Nach m ittag s schicht erse t zen konnte. Als diese eintrafen, schickte er sie z u m Gefängnis. D i e anderen gingen eine Kleinigkeit essen, bevor sie m it der Überprüfung der sardischen Schäfer begannen, die sie ausgewählt hatten. Als sie alle weg waren, brachte der Adjutant die nicht benötigten Akten weg, und der Capitano lehnte sich nachdenklich in seinem Stuhl zurück. Draußen vor dem Fenster regnete es wieder,
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