Tod im Palazzo
Telefonnummer und steckte die Fotografie wieder ein. »Ich möchte sie den anderen Mietern auch zeigen, falls sie da sind.«
»Also, Hugh könnte da sein, aber ich glaube, Flavia ist gestern übers Wochenende weggefahren.«
»Ja, ich glaube auch, daß sie so etwas gesagt hat. Ist nicht weiter wichtig. Ich muß sowieso wieder vorbeischauen, wenn die Ballettschule aufmacht. Tut mir leid, wenn ich Sie beim Spielen gestört habe.«
»Ist schon gut – ach ja, ich wußte doch, ich wollte Ihnen etwas erzählen, wenn Sie wieder vorbeikommen. Fast hätte ich's vergessen, aber wo Sie von Stören sprechen – wissen Sie, daß vor ein paar Tagen nachts ein Geräusch zu hören war, das genau wie ein Schuß klang? Das ganze Haus ist aufgewacht. Meine Güte, habe ich mich erschrocken! Ich meine, nach dem, was passiert ist… Na ja, ich nehme an, es kann alles mögliche gewesen sein, und wir alle sind gesund und munter. Aber ist das nicht komisch?«
»Sie hätten sich keine Gedanken zu machen brauchen. Es war ein Feuerwerk.«
Der Wachtmeister hatte nicht die Absicht, zu verraten, wer es abgeschossen hatte, aber er sagte: »Ich bin überrascht, daß Sie mir nicht sofort davon berichtet haben, nach allem, was passiert ist, wie Sie sagen.«
Es war kein Vorwurf. Er sagte es sehr milde.
»Tja, vermutlich hätte ich es getan, wenn ich Sie gesehen hätte und Sie mich gefragt hätten. Ich meine, man rennt doch nicht sofort zu den Carabinieri und erzählt, daß man einen Knall gehört hat, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ja, natürlich.«
Der Wachtmeister fand diesen Hinweis nicht besonders überzeugend, aber ein, zwei Tage später sollte sich das ändern.
»Herr Wachtmeister… auf ein Wort.«
Emilio war an sein Klavier zurückgekehrt. Der geflüsterte Ruf kam vom anderen Ende des Hofes her, wo der Aufzug gerade unten angekommen war. Der Wachtmeister starrte durch das Halbdunkel und sah, einen Schlüssel in der Hand, den Familienkaplan neben der Aufzugtür stehen. Der Wachtmeister ging langsam hinüber, und wieder spürte er jene vertraute, ahnungsvolle Beunruhigung in ihm hochsteigen.
»Guten Tag, Herr Pfarrer.«
»Bitte…«
Er wurde aufgefordert, den Lift zu betreten. »Es ist sehr dringend, wenn Sie bitte…«
Der Priester flüsterte unentwegt sein »Es ist sehr dringend«, während der Lift nach oben fuhr.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Wachtmeister, »ich habe Sie nicht verstanden.«
Der Priester beugte sich nur bis zu seiner Schulter vor. Die Hand, die auf dem Ärmel des Wachtmeisters lag, war fleischig und weiß wie die eines Babys.
»Es wird alles gut, das spüre ich, sonst hätte ich nie im Leben… Da sind wir.«
Sie waren auf der Etage angekommen, wo das Konzert stattgefunden hatte.
»Hier entlang.«
Wie eine fette Taube watschelte er auf dem dunklen Korridor vor dem Wachtmeister her. Die Flügeltüren der großen Salons auf beiden Seiten waren geschlossen. Am Ende des Flurs öffnete der Priester eine Tür mit einem schweren Messinggriff. »Einen Moment…«
Er schaltete das Licht an. Hinter der Tür befand sich eine Steintreppe, die ein Stockwerk höher zu einer ebensolchen Tür führte.
Der Wachtmeister wollte schon fragen, wohin er gebracht wurde, doch dann fiel ihm ein, daß irgend jemand Man sieht ihn nie auf der Treppe zu ihm gesagt hatte. Wer… Er wurde immer kurzatmiger, genau wie der Priester, der jetzt erheblich langsamer ging. Zum Glück. Diese Stufen waren steil und glatt, und festhalten konnte man sich nur an einem abgegriffenen, dicken Seil, das durch in die Mauer eingelassene Eisenringe lief. Der Wachtmeister konnte sich mit seinen breiten Händen nur mit Mühe an einem solchen Seil festhalten. Der kleine Priester benutzte beide Hände. Am Messinggriff der oberen Tür hielt er inne, aber er machte nicht auf.
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich Sie allein lassen werde, sobald ich Sie hineingebracht habe. Ich glaube, es ist besser, wenn Sie allein mit ihm sprechen.«
Noch immer flüsterte er.
»Was zum Teufel…« hob der Wachtmeister an.
»Pssst! Es geht ihm sehr schlecht, ich möchte Sie also bitten, ihn allein zu lassen, sobald er Ihnen alles erzählt hat. Sie finden mich hier. Sie müssen wissen, er ist gesundheitlich sehr gefährdet, sehr gefährdet, andernfalls… Also, gehen Sie rein, gehen Sie rein!«
Der Wachtmeister wurde hineingeschoben, die Tür hinter ihm geschlossen. Er hörte noch, wie der Priester weiter die Treppe hochstieg. Einen Augenblick stand er
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