Tod im Palazzo
in keinem der Ermittlungsprotokolle taucht Leos Name auf… Sie haben ja gesagt, es ist unwahrscheinlich…«
»Schon gut. Wenn nichts war, dann gibt es eben nichts.«
»Ich habe nicht einmal zu Mittag gegessen«, grummelte Lorenzini vernehmbar vor sich hin. Er hätte es genausogut sein lassen können. Der Wachtmeister hörte ihm nicht zu, und er war nicht einmal unzufrieden mit Lorenzinis Bemühungen. Er war nur beunruhigt, und er hätte nicht sagen können, was ihn so beunruhigte, auch für viel Geld nicht.
»Uff.«
Mit diesem unwillkürlichen Protest gegen die brennende Sonne trat er auf den Platz vor dem Palazzo Pitti. Die Hitze flimmerte über den abgestellten Autos, und der Wachtmeister, geschützt von Mütze und Sonnenbrille, wunderte sich über die Unbekümmertheit der Touristen, die sich offenbar einen Sonnenbrand holen wollten.
Beunruhigt. Das war er von Anfang an gewesen, doch er hatte es darauf geschoben, daß er Angst um die eigene Haut hatte oder zumindest um seinen Job. Jetzt war es etwas anders, denn was auch passiert war, Mückes Fingerabdrücke rechtfertigten eine Ermittlung. Er belästigte die Ulderighi nicht, vielleicht beschützte er sie sogar. Er selbst glaubte das zwar nicht, aber jemand anders vielleicht.
»Entschuldigung… Entschuldigung…«
Warum zum Teufel gingen die Leute nicht weiter? Standen da und blockierten den Bürgersteig, der ohnehin nur breit genug für eine Person war. »Entschuldigung…«
Er hätte nichts dagegen, wenn er ohne Eisflecken auf seiner Uniform im Palazzo Ulderighi ankam.
Erst als er unter dem Baugerüst stand und beim Portier klingelte, fiel ihm das Fußballspiel ein. All diese vielen Menschen auf der Straße wollten sich einen guten Zuschauerplatz für den Festzug sichern. Was war nur los mit ihm? Seine beiden Söhne hatten morgens und mittags über nichts anderes als das Fußballspiel gesprochen, noch immer verärgert, weil sie nicht hingehen durften und sich das Spiel am Fernseher würden anschauen müssen. Teresa hatte irgendwann während des Essens die Diskussion wütend für beendet erklärt, und nun hatte er das Spiel schon vergessen. Schläfst mit offenen Augen. Wie oft hatte er das von seiner Mutter gehört, und von seinen Lehrern auch. Und wenn Teresa es in Gegenwart der beiden Jungs nicht gesagt hatte, dann hatte sie es zumindest wohl gedacht, denn er hatte sich, soweit er sich erinnerte, mit keinem Wort an der Debatte beteiligt.
»Ach, Sie sind's…«
Die übliche Begrüßung des Portiers, begleitet von der üblichen Klaviermusik.
Der Wachtmeister trat wortlos ein. Er hatte es ziemlich satt, wie ein Vertreter behandelt zu werden. Sobald sie im Innern waren und im Radius der trüben Laterne standen, schaltete er das Licht an, zog das Foto aus der Tasche und hielt es dem Portier unter die Nase: »Haben Sie diesen Mann schon mal gesehen?«
»Gesehen? Wie meinen Sie das?«
»Genau so, wie ich es gesagt habe. Haben Sie ihn gesehen? Ist er hier im Haus gewesen? Ist er ein Bekannter Ihres Sohnes?«
»Ich weiß nicht, wer das ist. Immer diese Fragen.«
»Diese Frage hatte ich Ihnen noch nicht gestellt. Wer es ist, weiß ich. Ich wollte nur wissen, ob Sie ihn gesehen haben.«
»Nein.«
»Könnte sein, daß Sie das beschwören müssen.«
»Und was soll das heißen?«
Der Wachtmeister gab keine Antwort, sondern ging über den Hof, um an der Tür des Musikateliers zu klingeln. Der Musiker hörte nicht sofort auf, sondern spielte die Phrase erst zu Ende. Der Wachtmeister sah mit einem Blick über die Schulter, daß der Portier in seiner Kammer verschwunden war.
»Ah, Sie sind's!«
Na, zumindest klang es freundlich. Er war munter und aufgeräumt wie immer.
»Kommen Sie rein. Gibt's irgendwelche Neuigkeiten?«
»Eigentlich nicht. Ich wollte Ihnen nur dieses Foto zeigen.«
»Mein Gott. Was für ein Monster! Auf Paßfotos sehe ich auch immer wie ein mittlerer Verbrecher aus, aber der hier scheint ja wirklich was Besonderes zu sein.«
»Ja, ist er auch. Haben Sie ihn schon mal gesehen?«
»Wie, Sie meinen, in Fleisch und Blut?«
»Ja. Hier in diesem Haus, beispielsweise, oder mit dem Sohn des Portiers zusammen.«
»Bestimmt nicht. Ich nehme mal an, in Wirklichkeit sieht er wohl nicht ganz so schlimm aus, aber ich kann mir vorstellen, daß er trotzdem eine eindrucksvolle Figur ist, oder?«
»Ja, ich denke schon. Wenn Sie ihn sehen, egal wo, würden Sie sich dann bitte mit mir in Verbindung setzen?«
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