Tod im Palazzo
namens Lucilla?«
»Sie ist im ersten Kurs – ach, ich weiß warum! Ihr Papi ist Carabiniere, Sie kennen ihn also.«
»Nein, nein. Ich hatte nur gehört…«
»Fiorenza!!«
Das Kind setzte sich aufrecht hin, und der Wachtmeister stand auf. Großtante Fiorenza, eine ehrfurchtgebietende Dame, stand, auf einem Gehstock gestützt, in der Tür. Ihre Beine und Füße waren stark geschwollen, und ihre feinen Schuhe waren zweifellos eine orthopädische Sonderanfertigung.
»Du kannst mit Mathilde in der Küche Tee trinken.«
Das Kind stürmte schon zur Tür. Ein eisiger Blick der alten Dame ließ die Kleine innehalten. Sie kehrte zurück und gab dem Wachtmeister die Hand.
»Auf Wiedersehen.«
»Auf Wiedersehen. Laß dir den Kuchen schmecken!«
Er ließ die kleine Hand los, und nach einem vorsichtigen Blick zur Großtante erinnerte sich das Mädchen, aus dem Zimmer zu gehen und nicht zu rennen.
»Bitte nehmen Sie Platz, Herr Wachtmeister.«
Großtante Fiorenza setzte sich ihm gegenüber auf einen großen Stuhl mit aufrechter Lehne, der außerordentlich unbequem aussah. Der Wachtmeister sagte sich aber, daß es wahrscheinlich die einzige Sorte Stuhl war, aus dem sich die alte Dame relativ mühelos erheben konnte.
»Sie müssen mir verzeihen, daß ich Sie einfach habe kommen lassen. Ich vermute, wer Sie sprechen will, wird normalerweise bei Ihnen im Büro vorsprechen, das sich, wie ich höre, im Palazzo Pitti befindet.«
»Ja, aber ich bitte Sie…«
»Es wäre mir lieber gewesen. Ich bin seit fast fünfzehn Jahren nicht mehr in der Gemäldegalerie gewesen. Leider bin ich eine kranke Frau, Herr Wachtmeister, und ich habe immer großen Wert auf meine Unabhängigkeit gelegt. Ich habe nicht die Absicht, dieses Haus in einem Rollstuhl zu verlassen.«
»Ich verstehe.«
Kein Zweifel, sie war eine kranke Frau. Ihr Gesicht war sorgfältig geschminkt, aber die gelblichen Ringe unter den Augen waren nicht zu übersehen. Trotzdem schien sie eine zähe Natur zu sein. Auch wenn sie morgen vielleicht sterben würde, sie besaß die Kraft, noch jahrelang weiterzumachen, wenn sie es nur wollte. Jetzt schien sie ihn mit unerschrockenem Blick zu mustern. In seiner Verlegenheit mußte er sich zuerst räuspern, bevor er ein Wort herausbekam. »Ihre Großnichte ist sehr hübsch.«
»Hm. Sie sieht ihrer Mutter ähnlich.«
Der geringschätzige Ton bestätigte die Bemerkung des Kindes.
»Genau genommen ist sie gar nicht meine Großnichte. Vielleicht sollte ich es erklären, da es mit dem zu tun hat, was ich Ihnen erzählen will. Fiorenza ist die Tochter von Buongianni Corsis jüngerem Bruder, der, gegen den Rat der Familie, eine junge Frau von amerikanischer Abstammung geheiratet hat. Fiorenza ist ihr einziges Kind.«
»Sie sehen sie oft.«
Er hätte gern hinzugefügt, »trotz offensichtlicher Mißbilligung«, traute sich aber nicht.
»Ich habe guten Grund dafür, Herr Wachtmeister. Sollte meinem Großneffen Neri irgend etwas zustoßen, dann würde Fiorenza nicht nur das Vermögen Corsis, sondern auch den gesamten Besitz der Ulderighi erben.
Sie können sich vielleicht denken, daß sie aufgrund ihrer Erziehung nicht geeignet ist, das Ulderighi-Erbe anzutreten.«
»Aha.«
»Ich versuche mein Bestes, aber gegen den Einfluß einer solchen Mutter und ihren Erziehungsstil kommt man kaum an, wie Sie sich unschwer vorstellen können.«
Der Wachtmeister, dessen Phantasie dafür nicht reichte, schwieg.
»Ich habe gehört, daß Sie bereits mit meinem Großneffen gesprochen haben.«
»Ja. Ein Priester, Pater Benigni…«
»Dann wissen Sie ja, daß er krank ist. Ich werde mich genauer ausdrücken: sein Herz ist schwach, von Geburt an. Älter als dreißig dürfte er kaum werden.«
»Ich verstehe. Tut mir leid… aber heutzutage kann man doch sicher…«
»In seinem Zustand dürfte er eine Herztransplantation kaum überstehen.«
»Nein, sicher nicht.«
»Es ist der Wunsch meiner Nichte Bianca, daß er heiraten und einen Erben produzieren soll.«
»Und Sie sind dagegen?«
»Natürlich nicht.«
Sie hielt inne, um sich vorzubeugen und eine Klingel zu drücken, die unter einem Tischchen zwischen ihnen angebracht war. »Im Gegenteil, es wäre schön, wenn er gesund genug dafür wäre. Er ist schwach, sehr schwach, Herr Wachtmeister, ich möchte zum Punkt kommen. Mir ist zu Ohren gekommen, daß Sie eine Art Ermittlung über Buongiannis Tod führen.«
»Ja, in solchen Fällen ist das Routine…«
Ihre knochige Hand schloß sich fest um
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