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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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unheimlichen Geschichten, von denen er gehört hatte. Auch der junge Engländer, William, hatte keinen Hehl daraus gemacht, daß ihm vor dem Haus graute. Also bitte. Mehr war nicht dabei. Und was den Umstand betraf, daß er von der Ulderighi herbeigerufen worden war – wurde er denn nicht auch von den einfachen Leuten seines Bezirks gerufen, und zwar durchaus gebieterisch? Das hatte ihm nie etwas ausgemacht. Er hatte endlose Geduld mit diesen Leuten, warum also nicht auch mit der Ulderighi, die weiß Gott genug Sorgen hatte, so daß er ruhig ein bißchen nachsichtig sein konnte. Der Mann ein Selbstmörder, der Sohn kränkelnd. Kein Geld würde das wiedergutmachen. Bemüht ruhig und entschlossen zog er Fiorenza Ulderighis Brief aus der Tasche und überprüfte den dort genannten Termin mit seiner Uhrzeit. Er war zu früh. Der Brief war heute morgen eingetroffen, allerdings nicht mit der Post. Er war persönlich überbracht und von einem seiner Beamten angenommen worden. Überbracht von Grillo. Noch eine halbe Stunde totzuschlagen. Er dachte an einen Kaffee oder eine Kleinigkeit in der Pizzeria gegenüber, aber irgendwie gefiel ihm der Gedanke nicht. Der Besitzer sah ihn aus unerfindlichen Gründen immer so komisch an. Einem plötzlichen Einfall folgend ging er über den Hof und klingelte an William Yorkes Tür. In dem Moment wurde ihm klar, daß sein Vorwand, nämlich das Foto von Mücke, nicht besonders überzeugend war, denn William war erst nach Corsis Tod eingetroffen. Da fiel ihm ein, daß vielleicht die Schwester inzwischen zurückgekehrt war. Das reichte. Er klingelte erneut und lauschte. Es passierte nichts, aber er war überzeugt, daß jemand in der Wohnung war. Die Einzimmerwohnung war so klein, daß man trotz der dicken Tür praktisch spüren konnte, wie jemand atmete. Dann glaubte er eine leise Bewegung gehört zu haben. Er klingelte noch einmal, länger. Wieder Bewegung, und eine Stimme fragte: »Wer ist da?«
    »Guarnaccia. Wachtmeister Guarnaccia.«
    Er lauschte. Es war Williams Stimme gewesen, aber gedämpft, undeutlich.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt, Williams Gesicht war gerötet und verschwitzt, das Haar zerzaust.
    »Sie haben geruht. Entschuldigung.«
    William machte einen unsicheren Schritt zurück und öffnete so weit, daß der Wachtmeister eintreten konnte. Er kam so dicht an Williams Gesicht vorbei, daß er begriff, daß es nicht vom Schlaf, sondern vom Alkohol gerötet war, und er erinnerte sich an die Geschichte mit dem Feuerwerk. Auch das war passiert, als er betrunken war. Es war jedoch eine Sache, wenn jemand sagte, er sei betrunken gewesen, und eine andere, ihn betrunken zu erleben. William war immer so adrett, so beweglich und so scharfzüngig gewesen. Jetzt schien ein völlig anderer Mensch vor ihm zu stehen, und der Wachtmeister hatte nur einen Gedanken – sich zurückzuziehen.
    »Ich möchte Sie nicht stören. Ich bin sicher, Sie müssen ausruhen, wenn Sie abends arbeiten müssen.«
    »Ich ruhe nicht, ich arbeite nicht… ha… astrein das, für einen Schauspieler, nicht ruhen, nicht arbeiten… Wenn Sie einen Drink wollen, dann kann ich schon mal darauf hinweisen, daß nix mehr da ist.«
    »Nein, nein. Ich wollte bloß fragen, ob Ihre Schwester schon zurückgekommen ist, aber ich sehe, sie ist noch nicht da. Also, dann gehe ich wieder.«
    »Donnerstag…« murmelte er, und der Wachtmeister war nicht sicher, ob er richtig verstanden hatte.
    »Donnerstag?«
    »Noch drei Tage bis dahin. Gestern ist sie nicht gekommen, also wird es Donnerstag sein. In drei Tagen. Wenn jemand nach mir fragt, sagen Sie, ich schlafe.«
    »Ja, natürlich.«
    »Danke. Vielen Dank.«
    Er hockte sich schwerfällig auf die schmale Couch, zog umständlich einen Schuh aus und legte sich dann hin. Im nächsten Moment schnarchte er bereits. Der Wachtmeister zog sich zurück.
    »Sie wollen bestimmt wissen, was ich später mal werden will.«
    Die kleine Fiorenza warf sich in die andere Ecke des langen Sofas und begann, das eine Bein bis in die Fußspitzen zu strecken, als wäre sie noch immer in der Ballettstunde.
    »Und woher weißt du das so genau?« fragte der Wachtmeister, überzeugt, daß sie es so oder so erzählen würde. Er hatte recht.
    »Weil alle Erwachsenen danach fragen. Also, ich werde später mal Ballettänzerin und Tierärztin.«
    Das rechte Bein kam herunter und das linke schoß hoch in die Luft.
    »Da hast du dir aber viel vorgenommen.«
    »Es geht. Mir wird's bestimmt Spaß machen. Und ich

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