Tod im Palazzo
Mutter?«
»Er hat seit jener Nacht nicht mehr mit ihr gesprochen. Es heißt, er läßt sie nicht mehr in den Turm. Ich kann nicht sagen, was der Zwerg weiß oder nicht weiß, denn er sagt mir nichts; jedoch was Neri weiß, bringt ihn um. Die Ärzte sind in dieser Hinsicht ganz klar. Ich möchte jetzt hören, was Sie wissen. Ich habe Sie beobachtet, wie Sie im Hof umhergehen, Tag für Tag. Sie haben einen Verdacht. Wenn Neri Sie hat kommen lassen, dann weiß auch er, daß Sie einen Verdacht haben. Er weiß etwas, und diese Last bringt ihn um. Befreien Sie ihn davon.«
»Ich hatte angenommen, der Priester…«
»Man beichtet nur die eigenen Sünden, Herr Wachtmeister.«
»Ja. Das hat er mir auch gesagt… Sie denken also, seine Mutter… oder…«
»Ja, Herr Wachtmeister. Sehen Sie, ich will Ihnen nichts vormachen. Neri muß unter allen Umständen am Leben bleiben. Ich habe meine Nichte großgezogen, seit sie zwölf war, ich kenne sie. Als sie sechzehn war, hatte ich schon Angst vor ihr. Ich möchte Neri retten, und wenn ich gesagt habe, daß ich Ihnen helfen möchte – die Wahrheit ist, ich möchte, daß Sie mir helfen.«
»Sofern ich dazu in der Lage bin…«
»Eine sizilianische Antwort. Außerdem wissen Sie etwas, sonst würden Sie die Sache nicht auf eigene Rechnung verfolgen. Nun, es gibt keinen Grund, warum Sie mir etwas erzählen sollten. Sie sind derjenige, der die Ermittlungen führt. Also?«
»Ich werde mich bemühen…«
»Mich bemühen! Ich warte auf Ihre Fragen, Sie wissen nichts über diese Familie, ich weiß alles. Also?«
Schweigend zog der Wachtmeister sein Notizbuch heraus. Schweigend und mit deutlicher Ungeduld sah sie ihn an. Trotzdem wußte er, daß sie, mit angespanntem Rücken dasitzend und ihren Gehstock fest umklammernd, auf schwierige und unangenehme Fragen vorbereitet war, vielleicht zum Thema Hugh Fido. Er überraschte sie.
»Erzählen Sie mir bitte etwas über das Haus.«
»Über das Haus? Sie meinen, seine Geschichte?«
»Nein, nein… Merkwürdigerweise habe ich bei meinen Streifzügen hier im Innenhof etwas darüber herausgefunden.« Beobachtet von der ganzen Familie, wie sich herausstellte. Tja, er hatte es von Anfang an gespürt, und jetzt wußte er, daß er sich nicht getäuscht hatte. Also gut. »Nein, erstens die Tatsache, daß das Haus eingerüstet ist, aber nicht gearbeitet wird, obwohl alle sagen, daß die Bauarbeiter wieder zurück sind. Dann die Sache mit den Mietern. Das Haus aufgeteilt und vermietet. Alles ein bißchen plötzlich? Niemand ist länger als ein Jahr hier.«
»Das stimmt. Etwas über ein Jahr. Warum, das können Sie sich selbst ausdenken.«
»Geldmangel.«
»Natürlich.«
»Aber ein sehr plötzlicher Geldmangel.«
»Da ist nichts Geheimnisvolles dran, Herr Wachtmeister. Es war Buongianni Corsis Geld, mit dem dieses Haus unterhalten wurde. Der Besitzer eines solchen Gebäudes ist, wie Sie vielleicht wissen oder auch nicht, dazu verpflichtet, es von Zeit zu Zeit zu renovieren. Der Staat steuert etwas bei, bestimmt aber den Umfang und die Qualität der Arbeit. Buongianni… sagen wir mal: zog seine Unterstützung zurück.«
»Und warum?«
»Es hatte einen Streit gegeben. Ernsthaften Streit. Ich kenne die Einzelheiten nicht, aber ich weiß, daß von einer Scheidung die Rede war. Ausgeschlossen natürlich, aber trotzdem wurde darüber geredet. Von da an gab es von Corsi kein Geld mehr für das Haus Ulderighi. Bianca zufolge vertrat er die Ansicht, daß sich das Haus selbst tragen sollte.«
»Der Grund für den Streit war wohl nicht Hugh Fido?«
Er beobachtete ihr Gesicht, doch es ließ weder Überraschung noch Verärgerung erkennen.
»Natürlich nicht. Dazu kam es erst, als die ersten Wohnungen vermietet wurden und er hier einzog.«
»Vielleicht kannte sie ihn schon früher.« Offensichtlich hatte sie daran noch nicht gedacht.
»Das stimmt… sie wäre dazu auch imstande. Ihn hier einzuquartieren, weil er davon wußte und sie nichts mehr zu verlieren hatte. Aber nein, Buongianni und er verstanden sich sehr gut. Nein, nein.«
»Dann haben sie sich vielleicht deswegen gestritten, weil er eine andere hatte.«
Sie sah ihn halb mitleidig, halb belustigt an.
»Mein Lieber, angesichts ihrer Beziehung zueinander bezweifle ich nicht im geringsten, daß Buongianni eine andere hatte, zweifellos eine Person, die er geschäftlich kannte und die nicht in unseren Kreisen verkehrte. Das dürfte hier kaum eine Rolle spielen. Verzeihen Sie, wenn ich Sie
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