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Tod im Palazzo

Tod im Palazzo

Titel: Tod im Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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Später, wenn Sie sich ruhiger fühlen, können Sie mir sagen, wo sie begraben werden soll.«
    »Ich weiß es nicht. Eigentlich hatte sie kein Zuhause. Wenn sie hier begraben wird, wird sie allein sein. Es gibt niemanden außer mir…«
    »Vielleicht da, wo Ihre Eltern begraben liegen?«
    »Meine Eltern… Wäre ich bloß dagewesen an dem Tag, als sie anrief…«
    »Nicht! Lassen Sie das! Sie dürfen nicht so denken. Sie quälen sich nur noch mehr, und es ändert ja nichts.«
    Ein ferner Trommelwirbel verkündete den Festzug, der zum Endspiel des Fußballturniers unterwegs war.
    »Leo. Leo und dieser andere, der auf dem Foto.«
    »Ja.«
    »Sie müssen mir erzählen, was passiert ist. Ich möchte es nicht von jemand anders hören. Sie sollen es mir erzählen.«
    Der Wachtmeister verstand ihn, aber trotzdem hätte er versucht, das eine oder andere zu verbergen, wenn der Bursche nicht zu intelligent für ihn gewesen wäre.
    »Und La Ulderighi hat die beiden bezahlt.« Es war keine Frage.
    »Es ist noch nichts herausgekommen.«
    »Es wird nie etwas herauskommen, stimmt's?«
    »Vielleicht.«
    William blieb mehr oder weniger aufrecht auf dem Bettrand sitzen, wirkte aber wie eine Marionette, deren Fäden sich in einem Knäuel verheddert haben und nicht straff gehalten werden. Arme und Hände schienen zu lang zu sein. Das Gesicht, ruhig und ausdruckslos, schwamm in Tränen. Die Nase lief. Der Wachtmeister gab ihm ein großes weißes Taschentuch, das William zwar nahm, aber nicht benutzte.
    Das Trommelgeräusch draußen wurde lauter, und Trompeten spielten eine Fanfare, aber alles drang gedämpft, wie von weither, durch die Mauern des Palazzo.
    William schauderte. »Ist sie im Haus?«
    »Die Marchesa? Nein, ich glaube nicht, aber sie wird bald erwartet. Glauben Sie nicht, daß Sie woanders hinziehen sollten? Ich könnte Ihnen eine pensione vermitteln, wenn Sie möchten.«
    »Sie haben Angst, ich könnte mich betrinken und sie mir vornehmen, ja?«
    »Nein.«
    Der Wachtmeister erinnerte sich, wie schlecht William sich gefühlt hatte wegen des Böllerschusses, der den kranken Neri erschreckt hatte. Er würde keiner Fliege etwas zuleide tun. »Nein, das ist es nicht. Ich habe nur gedacht, daß dieses Haus Sie bedrückt und daß Sie schlecht schlafen werden, so ganz allein.«
    »Ja«, gab William zu, »Sie haben recht. Es ist nett von Ihnen, daß Sie daran denken. Aber ich bleibe. Ich habe sie im Stich gelassen, weil ich nicht dagewesen bin, als sie mich brauchte, verstehen Sie. Sie wissen nicht… es hat keinen Sinn, mich trösten zu wollen, Sie wissen nichts. In ihrem Brief hat sie gesagt, daß ich entweder nicht zu Hause bin oder schlafe… Tja, in der Nacht zuvor hatte ich getrunken, und da bin ich einfach nicht ans Telefon gegangen…«
    »Sie konnten es ja nicht ahnen.«
    »Darum geht es nicht. Darum geht es nicht. Es hätte nicht passieren dürfen. Ich trinke, weil ich nicht weiß, wo ich stehe – ich meine sexuell. Ich mag Frauen, aber mich mögen Männer. Ich sollte mich nicht beklagen, solange sich überhaupt jemand für mich interessiert, besteht ja wohl Hoffnung für mich. Ich möchte nicht, daß Sie mich für besser halten als ich bin, bloß weil ich meine Schwester…«
    Seine Stimme erstickte. Die Worte »verloren habe« brachte er nicht mehr heraus. Sein Kopf fiel vornüber. Dann holte er tief Luft und versuchte, sich zusammenzureißen.
    »Ich bin völlig erledigt, als hätte ich eine lange Reise gemacht und wäre am Ende noch zusammengeschlagen worden. Vielleicht kann ich schlafen, wenn ich mich etwas zudecke. Mir ist kalt.«
    Es war unerträglich heiß in dem stickigen Zimmer. Der Wachtmeister half William, unter die Tagesdecke zu schlüpfen. Er lag reglos da, die Augen halb geschlossen.
    »Heben Sie den Kopf.«
    Er gab ihm das Kissen, das auf den Boden gefallen war. Er beschloß, Flavia Martelli herüberzubitten, da William in einem Schock zu sein schien. Seine Augen waren geschlossen, aber als der Wachtmeister sich auf Zehenspitzen entfernte, sagte er: »Warten Sie…«
    »Was ist?«
    »Sie sind nicht im Theater gewesen.«
    »Was?«
    Der Wachtmeister erinnerte sich erschrocken. Die Freikarten steckten noch immer in seiner Brusttasche.
    William hatte die Augen aufgeschlagen, sah aber nicht den Wachtmeister an, sondern starrte nur in die Luft. »Sie hätten kommen sollen. Ich tauge zwar nicht für das Leben, dafür bin ich gut auf der Bühne. Ich wollte, daß Sie mich sehen, ich weiß nicht warum.«
    »Es tut

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