Tod im Tal der Heiden
Rabe.«
»Aber weißt du auch, warum wir das Spiel so nennen?«
Er hatte die Erklärung schon mehrmals gehört, tat aber so, als wisse er es nicht.
»Der Rabe ist das Zeichen der Göttin des Todes und der Schlachten. Es ist das Zeichen für Gefahr. Das Ziel dieses Spiels ist es, den Angriff der feindlichen Kräfte des anderen Spielers zu überstehen – ein Spieler greift an, und der andere verteidigt sich. Deshalb benennen wir das Spiel nach dem Zeichen für Gefahr.«
Eadulf gab sich sehr interessiert und tat so, als habe er das alles noch nie gehört.
»Dort« – Esnad wies auf das Brett auf dem Tisch – »siehst du ein Spielbrett mit neunundvierzig Feldern, sieben mal sieben. Im mittelsten Feld steht die große Königsfigur, siehst du sie?«
Er nickte automatisch.
»Sie symbolisiert den Großkönig in Tara. Um den König herum stehen vier andere Figuren. Jede stellt einen Provinzkönig dar. Es sind die Könige von Cashel in Muman, von Cruachan in Connacht, von Ailenn in Leinster und von Ailech in Ulaidh.«
»Das verstehe ich«, sagte Eadulf.
»Auf jeder Seite des Brettes stehen zwei Angreifer, insgesamt acht. Der angreifende Spieler zieht sie über des Brett, wenn er nicht von den Provinzkönigen daran gehindert wird. Das Ziel besteht darin, den Großkönig in eine Ecke zu drängen, aus der er nicht mehr entkommen kann. Wenn das geschieht, ist das Spiel gewonnen. Kannst du mir folgen? Doch wenn der Angreifer die Verteidiger nicht überwinden kann, dann hat er verloren.«
»Ich verstehe.«
»Dann greife ich zuerst an«, sagte Esnad und lächelte mit gezwungener Liebenswürdigkeit. »Ich greife lieber an, als daß ich verteidige. Du verteidigst dich. Bist du bereit?«
Eadulf nickte.
Das Mädchen machte ein paar Züge, auf die Eadulf in entsprechender Weise reagierte. Er mußte zugeben, daß ihr Angriff zielstrebig war. Sie verfolgte zwar keine wohlüberlegte Taktik, ging aber Wagnisse ein, die sich manchmal auszahlten.
Esnad mußte sich bald sehr konzentrieren, denn Eadulf spielte wie gewohnt und hatte ganz vergessen, daß er angeblich ein Neuling bei diesem Spiel war, so hatte er sich darein vertieft.
»Du begreifst schnell, Angelsachse«, meinte sie schließlich mißgünstig, als er ihre Züge immer wieder parierte.
»Reines Glück, Esnad«, erwiderte er und merkte, daß er sich ein paar Fehler leisten mußte, sonst verlor sie die Lust am Spiel, bevor er etwas aus ihr herausholen konnte. Er war zufrieden, als sie nun ihre Figuren schnell und freudig zog, um seine »Fehler« auszunutzen.
Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln.
»Was habe ich gesagt?« meinte er, als er sich geschlagengeben mußte. »Zuerst war es einfach Glück. Gib mir Revanche mit einer zweiten Partie. Es macht mir nichts aus, wieder zu verteidigen.«
»Na gut.« Esnad lächelte ihn kokett an. »Aber spielen wir um irgendwas, das macht es interessanter.«
Eadulf runzelte die Stirn.
»Um einen Einsatz? An welchen denkst du?«
Esnad schob die Fingerspitze zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Ihr Lächeln wurde breiter.
»Wenn ich gewinne, mußt du tun, was ich dir sage.«
Eadulf zögerte.
»Das finde ich nicht gut, ich weiß ja nicht, was du vorhast.«
»Ach, ich werde nichts von dir verlangen, was dir oder anderen schaden könnte«, antwortete sie fröhlich.
Eadulf zuckte die Achseln.
»Wenn es keinen Schaden bringt, dann nehme ich an. Aber wenn ich gewinne, was dann?«
»Du brauchst nur zu sagen, was du dann willst«, erwiderte Esnad mit einem herausfordernden Lächeln.
»Stell die Figuren auf«, sagte Eadulf brummig. »Ich überlege es mir.«
Das Spiel begann von neuem.
»Warum bist du so freundlich zu mir, da doch deine Mutter so aufgebracht ist gegen Schwester Fidelma und mich?« fragte Eadulf plötzlich mitten in einem Zug.
Esnad schaute nicht auf. Es schien sie gar nicht zu interessieren.
»Die Streitereien meiner Mutter sind nicht meine. Außerdem hat sie einen größeren Zorn auf deine Gefährtin Fidelma als auf dich. An deiner Stelle würde ich mir wegenmeiner Mutter keine Sorgen machen. Ich tue es jedenfalls nicht.«
»Dein Vater ist Tanist, und deine Mutter ist seine Frau. Ihre Wünsche haben doch sicherlich Gewicht?«
»Was geht mich das an?«
»Sind dir ihre Angelegenheiten gleichgültig?«
»Ja, ziemlich. Ich will das Leben genießen, die Angelegenheiten von Gleann Geis sind mir völlig egal.«
Eadulf schwieg und erwog einen besonders gefährlichen Zug. Esnad schmollte, als sie
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