Tod im Tal der Heiden
ein anderes. Ist er gut gefesselt? Seine wahren Motive können wir morgen ergründen.«
Als sie wieder in Eadulfs Zimmer kamen, zerrte Rudgal an seinen Fesseln.
»Lieg still«, befahl ihm Eadulf barsch, »wenn du nicht noch eins auf den Kopf kriegen willst.«
Rudgal starrte ihn böse an.
»Wenn ich die Hände frei hätte, Ausländer …«
»Deswegen bleibst du ja auch gefesselt«, unterbrach ihn Fidelma. Mit einiger Mühe banden sie nun Rudgal auch die Füße zusammen, mit denen er kräftig ausschlug. Als er endlich an Händen und Füßen gefesselt war, fing Rudgal an zu schreien. Eadulf drückte ihm ein Handtuch auf den Mund und brachte ihn so zum Schweigen.
Rudgal brauchte noch ein paar Minuten, bevor er einsah, daß er keine Chance hatte, sich zu befreien, und ruhig auf dem Bett liegen blieb. Als er still geworden war, hörtenFidelma und Eadulf ein Geräusch im unteren Stockwerk.
Sie wechselten beunruhigte Blicke. Dann nahm Eadulf Rudgals Schwert in die eine Hand und die Öllampe in die andere und ging leise zur Tür. Fidelma folgte ihm und spähte ihm über die Schulter. So bewegten sie sich vorsichtig bis zum Treppenabsatz.
Unten am Fuß der Treppe stand jemand in der Dunkelheit. Eadulf hob die Lampe hoch.
Ihr Licht fiel auf Colla.
»Was willst du hier?« fragte Eadulf, seine Stimme war rauh vor Erregung. Dort stand genau der Mann, auf den sie gewartet hatten.
Colla schaute überrascht zu ihnen hinauf. Er stutzte, als er das Schwert in Eadulfs Hand erblickte.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er stockend.
»Was sollte denn nicht in Ordnung sein?« fragte Fidelma ruhig zurück.
»Ich kam gerade vorbei, und es schien mir, jemand hier riefe um Hilfe. Deshalb kam ich herein.«
Fidelma musterte den Tanist. Was er sagte, klang plausibel, denn Rudgal hatte beträchtlichen Lärm verursacht, bis sie ihn geknebelt hatten.
»Das war Eadulf«, log sie. »Er schrie im Schlaf auf, und ich ging hin, um zu sehen, ob er krank sei. Dann hörten wir unten ein Geräusch und dachten, jemand hätte eingebrochen …«
Eadulf nickte eifrig und überlegte, welche Buße er wohl für diese Unwahrheit zu leisten hätte.
»Das stimmt. Ich hatte einen Alptraum«, fügte er rasch hinzu.
Colla zögerte und zuckte die Achseln.
»Die Tür stand weit offen«, sagte er. »Ich mach sie zu, wenn ich hinausgehe.«
Einen Moment noch starrte er zu ihnen hinauf, dann verließ er das Gästehaus, wobei er die Tür hinter sich schloß. Sie hörten, wie er draußen jemanden begrüßte und sich leise mit ihm unterhielt. Eadulf trat rasch an ein Fenster im Obergeschoß, spähte hinaus auf den Hof und lauschte.
»Das war Laisre«, flüsterte er Fidelma zu. »Er ging anscheinend gerade am Gästehaus vorbei, sah Colla herauskommen und hat ihn wohl gefragt, was los ist. Jetzt sind sie beide weg.«
Fidelma seufzte tief.
»Ich nehme an, nun wird sich bis zum Morgengrauen nichts mehr ereignen«, bemerkte sie im Ton der Befriedigung. »Ich glaube, unser Geheimnis steht kurz vor seiner Aufdeckung.«
KAPITEL 19
Fidelma erhob sich von ihrem Bett, lange bevor der Himmel hell wurde, und wartete unruhig im Hauptraum des Gästehauses. Sie hatte nach Rudgal gesehen und festgestellt, daß seine Fesseln noch hielten und er schlief, obwohl seine Lage nicht sehr bequem schien. Eadulf schlief ebenfalls und schnarchte leise. Sie lauschte aufmerksam, doch draußen war nichts zu hören. Sie ging zum Fenster und blickte besorgt zum Himmel auf, der sich über den Gipfeln im Osten langsam grau färbte. Angstvoll fragte sie sich, ob sie voreilig gehandelt hatte, als sie alles auf das Eintreffen von Ibor von Muirthemne im Morgengrauen setzte. Wenn nunCruinn gelogen hatte und es wirklich keinen zweiten Weg nach Gleann Geis gab? Vielleicht kam man tatsächlich nur durch die Schlucht in dieses Tal? Wenn nun Ibor und seine Männer nicht in das Tal gelangen könnten? Wenn es ihnen nicht geglückt wäre, die Burg einzunehmen? Wenn nun …?
Sie hielt inne und bemühte sich, ihre umherirrenden Gedanken zu bändigen. Was hatte doch ihr Mentor, der Brehon Morann von Tara, einst gesagt? »Mit einem ›wenn‹ könntest du die fünf Königreiche von Éireann in eine Flasche stecken und wegtragen.«
Sie zwang sich, ein wenig Met zu trinken und etwas trockenes Brot und Käse zu sich zu nehmen, um sich für das zu wappnen, was ihr an diesem Vormittag bevorstand: so oder so.
Da vernahm sie ein Geräusch und sprang nervös auf. Es war nur ein müdes Gähnen gewesen, und
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