Tod im Tal der Heiden
forschend.
»Du hast uns einiges zu erklären, Rudgal«, meinte sie. »Hat dich jemand hergeschickt, um mich umzubringen, oder war das deine eigene Idee?«
Rudgal starrte sie verwirrt an.
»Dich umbringen, Schwester?« stöhnte er.
»Ich verstehe dich nicht.«
Fidelma bewahrte Geduld.
»Ich nehme an, du bist nicht mitten in der Nacht mit blankem Schwert hier aufgetaucht, nur um nachzuschauen, ob es mir gut geht.«
Rudgal schüttelte langsam den Kopf.
»Dir, Schwester? Nach dir habe ich doch nicht gesucht, sondern« – er wies mit einer Kopfbewegung auf Eadulf – »nach dem Ausländer da. Ihn wollte ich umbringen.«
Eadulf sah ihn entsetzt an.
»Warum wolltest du Bruder Eadulf töten?« fragte Fidelma.
»Er weiß, warum«, antwortete Rudgal finster.
»Das weiß ich nicht«, entgegnete Eadulf. »Was habe ich denn getan?« Dann stöhnte er. »Nun sag bloß nicht, es hat was mit dem albernen kleinen Mädchen zu tun?«
»Du hast versucht, mir Esnad wegzunehmen!« schrie Rudgal und wollte sich aufrichten. »Sie hat mir erzählt, daß du gestern abend bei ihr warst. Ich bringe dich um.«
Eadulf schob ihn leicht zurück auf das Bett.
»Du mußt verrückt sein«, sagte er langsam. »Ich habe kein Interesse an dem Kind.«
»Rudgal, hör mir zu«, sagte nun Fidelma. »Eadulf will nichts von Esnad wissen. Wie dein Verhältnis zu ihr ist, das mußt du selber klären.«
»Aber er war gestern abend bei ihr.«
»Auf meine Anweisung«, antwortete Fidelma, die seine Logik allmählich begriff.
Rudgal lief rot an.
»Warum hast du ihm gesagt, er soll mit Esnad flirten?«
»Bei Christi Wahrheit!« fauchte Eadulf. »Wenn jemand geflirtet hat, dann Esnad. Du mußt doch wissen, Mann, was sie für eine ist.«
»Ich liebe sie!«
»Aber liebt sie denn auch dich?« knurrte Eadulf.
Rudgals Miene bewies, daß er die Frage nicht zu beantworten wagte.
»Rudgal«, sagte Fidelma, »wegen eines launenhaften Mädchens sollte man kein Blut vergießen.«
Der Krieger ließ sich nicht so leicht überzeugen.
»Esnad hat mir erzählt, daß er in ihrer Wohnung war. Sie zog mich damit auf, daß …«
Fidelma gebot ihm mit der Hand zu schweigen.
»Aegra amans!«
murmelte sie. Nur Eadulf verstand sie. Vergil hatte von besitzergreifender Liebe als einer Krankheit gesprochen.
Eadulf schaute sie säuerlich an.
»Amantes sunt amentes«
, antwortete er. Verliebte sind Verrückte.
Rudgal verstand kein Wort.
»Es ist nichts zwischen Esnad und mir«, wiederholte Eadulf. »Warum klärst du deine Probleme nicht mit Esnad selbst?«
Rudgal grollte weiter.
»Das ist ein kluger Rat, Rudgal«, fügte Fidelma hinzu. »Wenn du glaubst, Esnad so sehr zu lieben, dann solltest du mit ihr darüber sprechen. Ihre Meinung muß dir doch mehr bedeuten als die Meinung jedes anderen?«
Rudgal ließ sich nicht besänftigen.
»Könnte es vielleicht sein, daß du weißt, daß sie deine Liebe nicht erwidert, und daß es deshalb für dich leichter ist, anderen die Schuld daran zu geben und zu behaupten, sie würden sie dir wegnehmen?« fuhr Fidelma fort. »Hat sie dir denn jemals gehört, daß sie dir jemand nehmen könnte?«
Ihre Worte trafen ins Ziel. Rudgal zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen.
»Es geht uns nichts an, was du tust, Rudgal«, redete Fidelma weiter, »aber ich an deiner Stelle wäre klug und würde mal darüber nachdenken. Du müßtest dir darüber klar werden, ob du Esnad wirklich liebst oder dich nur in sie verliebt hast. Das sind zwei verschiedene Dinge. Und wenn du Esnad liebst, dann liegt dir vor allem an ihrer Meinung und ihrem Glück.«
»Was habt ihr jetzt mit mir vor?« knurrte Rudgal und überging ihren Rat.
»Du hast gegen das Gesetz verstoßen, indem du einen Mordanschlag auf Eadulf unternommen hast«, erklärte ihmFidelma. »Was wäre, wenn du ihn getötet hättest? Was meinst du, was wir mit dir tun sollten?«
»Ich kann mich auf Gründe dafür berufen«, behauptete Rudgal störrisch.
»Es gibt keine Gründe.« Seine Hartnäckigkeit brachte Eadulf auf.
Fidelma legte ihm die Hand auf den Arm und machte ihm ein Zeichen, ihr auf den Korridor zu folgen.
»Was schlägst du vor?« flüsterte er draußen.
»Wir können Rudgal nicht vor dem Morgen freilassen. Es kann gut sein, daß er aus Eifersucht den Verstand verloren hat. Auch für den Fall, daß etwas anderes als unglückliche Liebe hinter dem Überfall steckt, müssen wir ihn bis morgen früh hierbehalten. Wir lassen ihn in deinem Zimmer, und du ziehst in
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