Tod im Tal der Heiden
Siedlern im Tal eingeheiratet haben.«
»Magst du die Christen?«
Die füllige Frau lachte.
»Du könntest genausogut fragen, ob ich die Berge mag. Sie sind eben da. Was soll man weiter machen, als mit ihnen leben?«
»Du bist klug.« Fidelma lächelte. »Sehen alle Leute im Tal das so philosophisch wie du?«
Das verstand die Dicke nicht.
Fidelma versuchte, ihr die Frage einfacher zu stellen.
»Sind alle anderen im Tal derselben Meinung wie du? Oder fühlen sie sich den Christen gegenüber unsicher?«
»Wir sind sehr sicher hier in diesem Tal, denn es gibt nur zwei Wege hinein und zwei Wege hinaus«, erwiderte Cruinn, die die Frage mißverstanden hatte.
Fidelma wollte ihr schon erklären, daß sie nicht körperliche Furcht gemeint hatte, als ihr aufging, was Cruinn gesagt hatte.
»Zwei Wege? Ich dachte, es gäbe nur den einen Weg durch die Schlucht?«
»O nein, es gibt noch den Pfad am Fluß.«
»Doch mir wurde gesagt, der Fluß sei durch die Stromschnellen unpassierbar.«
»Das stimmt, aber es gibt einen kleinen Fußpfad neben dem Fluß. Er ist schwierig und stellenweise versteckt, weil er durch Höhlen verläuft, aber wer gut zu Fuß ist, kann es schaffen. Er führt in das Tal dahinter. Als Kinder haben ihn die meisten von uns ausprobiert. Aber niemand könnte …«
Die Frau hielt inne und kniff die Augen zusammen. Sie hatte wohl plötzlich gemerkt, daß sie zu offen sprach. Ihre Verlegenheit wurde dadurch verdeckt, daß Bruder Dianach aus dem Baderaum kam und bestätigte, daß er auf das Fest gehen werde. Nach Bruder Solins Absichten gefragt, erwiderte er, daß er den Geistlichen eine Weile nicht gesehen hätte, aber davon ausginge, daß er auch teilnehmen werde.
Fidelma verkündete, sie werde vor ihrem abendlichen Bad noch einen kleinen Spaziergang machen. Sie versprach, bald zurück zu sein, und verließ das Gästehaus, während Cruinn das Abendessen vorbereitete.
Etwas widerstrebend entschloß sich Eadulf, nun ein Bad zu nehmen. Vielleicht würde ihn das ein wenig munterer machen.
Fidelma hatte inzwischen den
rath
verlassen. Sie wußte genau, wohin sie wollte. Sie brauchte fünfzehn Minuten bis hinunter zu Ronans Weiler. Vorher hatte sie sich beim Posten am Tor vergewissert, daß sowohl Ibor von Muirthemne als auch Murgal zum abendlichen Fest in den
rath
zurückgekehrt waren. Auf der Wiese neben Ronans Hof grasten zwei Pferde. Sie kletterte über die niedrige Steinmauer und gelangte auf die Wiese. Fidelma kannte sich mit Pferden aus. Sie hatte beinahe eher reiten als laufen gelernt. In dem berühmten Cuirrech, wo man seit unvordenklichen Zeiten jährlich große Pferderennen abhielt, wurde ihr Name immer noch mit Hochachtung genannt. Vor ein paar Jahren hatte sie dort den Mord an dem preisgekrönten Rennpferd des Königs von Laigin und seinem Jockey aufgeklärt.
Auf der Wiese befanden sich ein schwarzer Hengst und eine weiße Stute. Die Stute war scheu, doch der Hengst blieb brav stehen, als Fidelma ihm über Bug und Fesseln strich. Sie streichelte ihm sanft das Maul, bis er ihr erlaubte, es zu öffnen und seine Zähne zu besehen. Mit der Stute war es schwieriger, aber nach einer Weile schaffte es Fidelma, sie so weit zu beruhigen, daß sie sie sich ebenfalls genauer anschauen konnte.
»Was machst du da?« rief eine barsche Stimme.
Bairsech, Ronans Frau, stand in der Tür des Bauernhauses und betrachtete sie mit säuerlicher Miene.
»Ich sehe mir die Pferde an, Bairsech«, erwiderte Fidelma ungerührt. »Sind das die Pferde, die Ibor von Muirthemne gehören?«
Die Frau erkannte Fidelma, und ihre Miene verfinsterte sich noch mehr.
»Ja, das sind seine«, antwortete sie unwillig.
Fidelma spitzte die Lippen und betrachtete die Pferde.
»Hat er keine anderen bei sich?«
»Warum fragst du? Wenn du sie kaufen willst, er ist jetzt nicht hier, sondern oben im
rath.«
»Tu mir den Gefallen«, antwortete Fidelma geduldig. »Hat er noch andere Pferde mitgebracht?«
»Nein, bloß diese beiden.« Bairsech war nach wie vor mißtrauisch. »Was geht dich das an?«
»Nichts«, erwiderte Fidelma. »Gar nichts. Ich sehe ihn sicher später im
rath
.«
Sie verließ die Wiese und machte sich an den Aufstieg zu Laisres Burg.
Als sie sie erreichte, hatte Eadulf inzwischen sein Bad genommen. Cruinn stellte gerade das Abendessen auf den Tisch. Von Bruder Dianach war nichts zu sehen. Eadulf berichtete ihr, Dianach sei zum Fest gegangen und Bruder Solin noch nicht ins Gästehaus zurückgekehrt. Fidelma
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