Tod im Tal der Heiden
überlegte einen Moment, ob sie erst ihr abendliches Bad nehmen sollte, entschied sich aber dafür, die Suppe nicht kalt werden zu lassen und später zu baden.
Cruinn fragte, ob sie noch etwas brauchten. Als sie das verneinten, wünschte sie ihnen einen guten Abend und ging.
Fidelma aß schweigend, Eadulf langte nur mäßig zu und trank nur Wasser, während Fidelma an einem Becher Met nippte.
»Worüber grübelst du nach, Fidelma?« brach Eadulf schließlich das Schweigen. »Ich weiß, daß deine Gedanken arbeiten, wenn du diesen abwesenden Blick hast.«
Sie holte ihren Blick aus der Ferne zurück.
»Ich denke an weiter nichts als daran, morgen vormittag die Angelegenheit mit Laisre abzuschließen, vorausgesetzt, Murgal und Solin sorgen nicht für weitere Verzögerung. Danach, wie ich schon sagte, müssen wir uns dem Geheimnis der hingemordeten jungen Männer zuwenden.«
»Meinst du wirklich, du kannst noch Hinweise finden, die Colla entgangen sind?«
»Ich meine gar nichts, bevor ich nicht die Beweislage geprüft habe. Dort jenseits der Schlucht lauert ein unheildrohendes, bedrückendes Geheimnis – eines, das mir ins Gesicht starrt und das ich trotzdem nicht lösen kann. Allerdings habe ich gerade etwas herausgefunden, was den seltsamen jungen Mann betrifft, der behauptet, er wäre Pferdehändler.«
Eadulf blickte interessiert auf.
»Außer der Tatsache, daß er das Handelsgesetz nicht kennt?« fragte er gespannt.
»Er hat nicht nur keine Ahnung vom Handelsgesetz, sondern das Vollblutpferd aus Britannien, das er angeblich hergebracht hat, um es zu einem hohen Preis zu verkaufen, das ist überhaupt kein Vollblutpferd.«
»Hast du es gesehen?«
»Ich bin zu Ronans Hof gegangen, wo Ibor untergekommen ist. Ich habe mir die beiden Pferde angesehen, die er mitführt, eine Stute und einen Hengst. Es sind beides keine jungen Pferde, sondern tüchtige Arbeitspferde. Sie sind ausgebildet, und zwar gut ausgebildet, als Kriegspferde. Beide tragen Narben und haben anscheinend schon in Schlachten Dienst getan.«
»Meinst du, daß er ein Betrüger ist?«
»Ich sage nur, daß keins der beiden Pferde das ist, für was er es ausgibt. Er sagt, er hätte ein Vollblutpferd aus Gwynedd, einem Königreich der Briten, mitgebracht. Solche Pferde sind kurzbeinig, haben einen breiten Bug, ein dickes, drahtiges Fell und ein dichtes Unterfell zum Schutz gegen die strengen Winter. Aber die Pferde, die er hier hat, sind überhaupt nicht reinrassig. Sie haben lange Beine und gehören zu der Art, wie sie aus Gallien eingeführt werden als Rennpferde oder für den Krieg. Seine Pferde sind zu alt, als daß sie einen Wert besäßen, der es rechtfertigen würde, daß er mit ihnen die weite Reise von Ulaidh in diesen entlegenen Winkel unseres Königreichs unternimmt. Mit anderen Worten: Ibor von Muirthemne ist ein Lügner!«
Sie beendeten die Mahlzeit in nachdenklichem Schweigen. Gedämpft klangen die Geräusche des Festes aus Laisres Halle herüber. Fidelma schlug vor, falls Eadulf es sich zutraue, sollten sie noch einmal eine Runde um die Mauern des
rath
machen, bevor sie sich schlafen legten. Eadulf hätte es vorgezogen, gleich zu Bett zu gehen, denn immer noch war ihm ein wenig schwindlig. Doch sein Schuldbewußtsein ließ ihn Fidelmas Vorschlag zustimmen. Wenigstens bestand zwischen ihnen eine Übereinstimmung, die es ihnen erlaubte, auch ohne Worte im Denken so verbunden zu sein, als ob jeder sofort wüßte, was dem anderen durch den Kopf ging.
Vom Gästehaus schlugen sie den Weg zu der Treppe ein, die zu dem Umgang auf der Mauer führte.
Oben an der Treppe bewegte sich ein Schatten. Sie hörten ein verlegenes Kichern, und die schlanke, kleine Gestalt eines jungen Mädchens verschwand in der Dunkelheit. Einzweiter Schatten erschien, und eine barsche männliche Stimme rief sie an. Als sie sich zu erkennen gaben, tauchte die Gestalt Rudgals im flackernden Licht einer brennenden Fackel auf.
»Ihr seid also nicht auf Laisres Fest?« Der Wagenbauer und zeitweilige Krieger schien durch ihr Auftauchen unangenehm berührt.
»Eins von Laisres Festen reicht mir«, beklagte sich Eadulf. Rudgals Miene drückte Mitgefühl aus.
»Schlechter Wein«, lautete sein Urteil. »Das kommt zuweilen vor.« Dann wandte er sich an Fidelma und wechselte rasch das Thema. »Ich hörte von Artgal, daß auf der Ebene, wo ihr die Leichen entdeckt habt, nichts mehr zu finden war, jedenfalls nichts, was erklären würde, wie es zu dem schrecklichen Vorfall
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