Tod im Tal der Heiden
dem Akzent des Königreichs im Norden, sagst du?«
»Ja, Lord.«
»Bist du sicher, daß er mit nördlichem Akzent sprach?Könnte es nicht zum Beispiel ein angelsächsischer Akzent gewesen sein?«
Ein lautes Gemurmel erhob sich, als die Versammelten mit Staunen die offene Beschuldigung des Fürsten vernahmen.
»Mein Fürst«, mahnte Murgal besorgt, »man kann nicht einfach unterstellen, daß der Angelsachse Artgal in eine Falle lockte, um ihn unglaubwürdig zu machen und damit diese Entscheidung zu erreichen.«
Laisre schaute Eadulf finster an. »Warum nicht? Die eine Erklärung ist so gut wie die andere.«
»Lord, überdenke deine voreiligen Worte noch einmal. Die Beweislage ist klar. Artgal kann einen nördlichen Akzent von einem angelsächsischen unterscheiden und hätte das auch gesagt. Wenn du das bestreitest, bringst du dein Amt in schlechten Ruf.«
Laisre sah aus, als hätte er die Auseinandersetzung gern noch weitergeführt, doch wegen Murgals Ablehnung seines Einspruchs konnte er das nicht tun.
»Nun gut. Wir müssen jetzt wohl alle mit nördlichem Akzent befragen, nehme ich an.«
Bruder Dianach stand auf und erhob Protest. Selbst Eadulf war überrascht von seinem plötzlich veränderten Verhalten, denn er war immer scheu und unsicher gewesen. Doch Zorn und vielleicht auch Furcht brachten ihn dazu, aus sich herauszugehen.
»Ihr wißt alle, daß außer Bruder Solin nur ich und der Pferdehändler aus dem Norden hier sind. Ich verwahre mich gegen jede Beschuldigung!«
Seine Stimme hatte sich fast zum Falsett gesteigert. Sein Gesicht war feuerrot.
»Der Junge war es nicht«, erklärte Artgal hastig. »Es war eine tiefere Männerstimme.«
Nur Fidelma bemerkte, daß Laisres Besorgnis für einen Moment der Befriedigung gewichen war.
Die Blicke richteten sich auf den Platz, an dem Ibor von Muirthemne gesessen hatte. Er war nicht mehr da.
»Gelehrter Richter«, schaltete sich Eadulf eilig ein, »ehe wir das Hauptthema dieser Verhandlung aus dem Auge verlieren: Dieser Zeuge hat genug gesagt, um meine Behauptung zu bestätigen, daß seine Annahme des Geldes seine Aussage entwertet.«
Murgal stimmte düster zu.
»Das ist richtig. Artgal, du darfst diesen Raum verlassen, aber halte dich im
rath
auf. Ich muß überlegen, was mit dir geschehen soll. Du hast deinem Fürsten und deinem Clan Schande bereitet.«
Artgal hatte kaum seinen Platz im Zeugenstand verlassen, als Eadulf wieder das Wort ergriff.
»Ich schlage vor, da Artgals Aussage hinfällig ist, daß Schwester Fidelma auf
fír testa
hin sofort freigelassen wird.«
Murgal wollte schon zustimmen, als Laisre überraschend die Hand hob und sich zu Eadulf vorbeugte.
»Eine Beschuldigung verhindert das, Angelsachse.« Sein Ton war scharf. »Als Fidelma von Cashel dieses Verbrechen angelastet wurde, hat sie ihren guten Ruf dadurch geschädigt, daß sie die Schuld auf jemand anders zu schieben versuchte – nämlich auf meine Schwester Orla. Sie schwor, sie habe Orla aus der Stalltür kommen sehen. Orla war jedoch durch das Zeugnis ihres Ehemannes Colla in der Lage zu beweisen, daß sie nicht im Stall war. Nun genügt das Ablegen eines falschen Eides, wie ich das Gesetz verstehe,um Fidelma von Cashel hinter Schloß und Riegel zu halten, bis wir sie für schuldig befinden oder nicht. Ich sage das ungeachtet der Unehrlichkeit Artgals.«
Die meisten Leute erschraken über die harte und unfreundliche Haltung ihres Fürsten. Eadulf ließ das Gemurmel im Raum verebben, bevor er wieder sprach.
»Fürst, du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, daß ich verstehe, wie sehr du dich von einer Behauptung beleidigt fühlst, die deiner Meinung nach deine Familie falsch beschuldigt. Dennoch erkläre ich, daß das kein Grund ist, das zu übergehen, was heute hier geschehen ist.«
Nun wandte er sich an Murgal, denn der hatte das endgültige Urteil zu fällen und würde sicherlich Laisre hinsichtlich der Gesetzeslage beraten.
»In den Lehren der Druiden«, fuhr Eadulf ruhig fort, »so habe ich gehört, gibt es immer einen Mittleren Weg zum Herangehen an die Dinge, einen dritten Weg. Vielleicht war Schwester Fidelma im Irrtum, als sie Orla zu erkennen glaubte. Das kann in der Dunkelheit leicht passieren. So wie Artgal, bevor er ein Opfer seiner Habgier wurde, sich irrte, als er meinte, da Fidelma sich über die Leiche Solins aus Armagh beugte, müsse sie ihn auch getötet haben. Fidelma und Artgal zogen voreilige Schlüsse. Der dritte Weg wurde nicht
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