Tod im Tower: John Mackenzies erster Fall (German Edition)
an?“
„Aber nein“, wehrte Hunter ab. Dann zog er ein Päckchen Karten aus seiner Schreibtischschublade. „Poker, Mackenzie, Poker! Es gibt nichts Anregenderes.“ Er rieb sich die Hände.
„Am Dienstag habe ich unserem guten Pastor zwei Pfund abgeluchst. Hah, den hätten Sie fluchen hören sollen.“
„Unser Pastor pokert?“
„Natürlich, warum nicht? So lange er nicht den Inhalt des Klingelbeutels verspielt.“ Hunter lachte dröhnend. „Ein paar von uns alten Kämpen nutzen die Zeit, in der unsere Frauen beschäftigt sind für ein paar Spielchen. Wir treffen uns hier bei mir, trinken einen gepflegten Whisky, schmauchen die eine oder andere Zigarre und zocken drei Stunden lang. Für mich das Highlight der Woche, sage ich Ihnen.“
Wieder zurück in seiner Wohnung strich John vier weitere Namen von seiner Liste; außer dem Arzt und dem Pastor noch zwei seiner älteren Kollegen, die auch letzten Dienstag bei der Pokerrunde gewesen waren. Nun umfasste die Liste noch sechsundzwanzig Beefeater, die drei Frauen, die nicht beim Treffen der Handarbeitsgruppe gewesen waren und Richard Campbell mit seinen Gästen.
Zufrieden klappte John sein Notebook zu. Zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass er trotz Edwinas zahlreichen Leckereien allmählich Hunger bekam. Nach all den süßen Sachen verspürte er Appetit auf etwas Herzhaftes. Mit einem Blick in den Kühlschrank beschloss er, sich aus allerlei Resten ein Omelett zu braten. Gerade hatte er alle Zutaten bereitgelegt, als das Telefon klingelte.
Mit einem unwilligen Stöhnen griff er zum Hörer – und hörte eine tönende Stimme, die seit Jahrzehnten nicht nur über die Versammlungen des örtlichen Gartenbauvereins regierte.
„John, mein Liebling, wie geht es dir?“
„Hallo, Mum – “ Weiter kam er nicht.
„Du hättest wirklich einmal anrufen können. Stattdessen mussten wir von diesem schrecklichen Mord direkt vor deiner Haustür aus der Zeitung erfahren. Wie gut, dass Simon die Ermittlungen führt. Bestimmt wird er den Mörder finden, bevor dieses Monster euch alle abschlachtet.“
John schnitt eine Grimasse.
„Ich glaube nicht, dass wir in Gefahr sind, Mum. Mach dir keine Sorgen. Ist bei dir und Dad alles in Ordnung?“ Als Emmeline Mackenzie daraufhin anhob, ihren Sohn auf den neuesten Stand der Ereignisse in seinem Heimatort Kew zu bringen, wusste John, dass dies ein längeres Telefonat werden würde. Er schaltete die Freisprecheinrichtung ein und machte sich ans Werk.
Während er Zwiebeln, Paprika und Champignons hackte, dazu etwas Käse und Schinken würfelte und sich schließlich ein riesiges Omelett briet, schwatzte seine Mutter unaufhörlich. Johns Gesprächsbeitrag beschränkte sich auf ein gelegentliches Brummen.
Aus Erfahrung wusste er, dass Emmelines Konversation von drei Themen beherrscht wurde, die er in Variationen immer wieder zu hören bekam: Zuerst einmal die ganz und gar außergewöhnlichen Fähigkeiten ihres jüngsten Enkels Christopher, des bisher einzigen Sohnes von Johns jüngerem Bruder David, der mit seinen zwei Jahren seine Großmutter mit allem, was er tat, in höchstes Entzücken versetzte. Als nächstes folgte in der Regel ihr Lamento, dass John es als einziges ihrer Kinder bisher versäumt hatte, Nachwuchs in die Welt zu setzen. John rollte mit den Augen, während er sein Omelett auf einen Teller bugsierte. Schließlich berichtete seine Mutter wie immer noch in epischer Breite von den Aktivitäten ihres Vereins. Als sie ihm in allen Einzelheiten erklärte, warum ihre Dauerrivalin Jane Argyll bei der letzten Gartenschau des Jahres vollkommen zu Unrecht die blaue Schärpe für den schönsten Kürbis bekommen hätte, beschloss John, sich lieber auf sein Essen zu konzentrieren und auf Durchzug zu schalten. Genussvoll schob er gerade die letzte Gabel in den Mund, als ihm die plötzliche Stille bewusst wurde.
„Äh, Mum? Tut mir leid, ich hatte gerade den Faden verloren.“ Er hörte seine Mutter ungeduldig seufzen.
„Ich hatte dich gerade gefragt, ob du für die Damen der Red Hat Society eine Sonderführung im Tower machen könntest.“
„Red Hat Society? Was ist das denn?“
„Wenn du mir zugehört hättest, hättest du diese dümmliche Frage nicht zu stellen brauchen, John. Ich habe mich dieser Vereinigung für Frauen über fünfzig vor kurzem angeschlossen. Das ist zur Abwechslung einmal kein Wohltätigkeitsverein, sondern wir treffen uns einfach gelegentlich, um gemeinsam etwas zu unternehmen. Wir werden
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