Tod in der Königsburg
Tomar. »Es ist zuviel Blut geflossen, als daß dieser Ort wieder davon gereinigt werden kann. Vielleicht ist Imleach verflucht. Aber Rache ist verständlich. Viele in dieser Gemeinschaft waren wütend über den sinnlosen Mord an Bruder Daig.«
»Die Zeit kann Orte reinigen, an denen sinnlose Bluttaten begangen wurden«, meinte Fidelma. »Kein Ort ist verflucht, wenn nicht die Leute daran glauben.«
Sie nickte dem Pferdewärter zu, nahm Eadulf am Ellbogen und steuerte ihn nach draußen.
»Wir haben bei dem Mord an dem Krieger das Naheliegendste übersehen«, sagte sie aufgeregt.
»Was denn?« fragte Eadulf.
»Daß Bruder Bardán Bruder Daig besonders nahestand. Bruder Tomar benutzte den Ausdruck Rache. Wir sollten feststellen, wo Bruder Bardán war, als der Krieger getötet wurde.«
KAPITEL 14
Als sie die Totenkammer der Abtei erneut betraten, war von Bruder Bardán nichts zu sehen. Der Raum war leer. Nur der Leichnam Bruder Daigs lag, in das leinene Grabtuch gehüllt, auf dem Tisch. Auch die Leiche des Kriegers war verschwunden. Wieder draußen, stießen sie auf Schwester Scothnat, die nach den Ereignissen der vergangenen Nacht noch recht blaß und mitgenommen wirkte.
Fidelma erkundigte sich, wo sich Bruder Bardán aufhalte. Schwester Scothnat wußte es nicht, vermutete aber, er sei zum Schmied Nion gegangen. Sie fügte hinzu, Bruder Daig solle dem Brauch gemäß bei Sonnenuntergang im Bereich der Abtei beigesetzt werden, und ein Requiem,
écnairc
genannt, werde an seinem Grab gesungen.
»Was nun?« fragte Eadulf, als er Fidelma erneut zum Tor der Abtei folgte.
»Wir machen uns auf die Suche nach Bruder Bardán.«
An einem Feuer nahe den Überresten des alten Eibenbaums ruhten sich einige der Krieger Finguines von ihren Anstrengungen aus. Fidelma und Eadulf kamen an den schwelenden Resten von Nions Schmiede vorbei und schauten sich auf der Hauptstraße um.
Es herrschte mehr Bewegung im Ort als am Morgen. Sie hörten Lärm in der Nähe und gingen um ein Gebäude herum seinem Ursprung nach. Dort sahen sie, wie einige der Leute Finguines den überlebenden Männern halfen, auf einem Feld hinter den Häusern ein großes Grab auszuheben. Das Feld war anscheinend schon früher als Begräbnisplatz genutzt worden. An seinem Rand lag eine Reihe von Leichen, in leinene Grabtücher gehüllt, und wartete auf die Beisetzung. Eine kleine Gruppe von Frauen umgab sie, stieß die üblichen Klageschreie aus und klatschte in die Hände, um so ihren Schmerz auszudrücken.
An anderen Stellen waren Männer, Frauen und Kinder damit beschäftigt, den Schutt zerstörter Gebäude zu durchwühlen. Von diesen verzweifelten Bemühungen abgesehen, hatte sich im Ort nicht viel verändert.
»Bruder Bardán kann ich nirgends entdecken«, bemerkte Eadulf.
»Hier irgendwo sollte er aber sein«, versicherte ihm Fidelma, während sie zur Ruine von Nions Schmiede zurückgingen und dann die geschwärzten Mauern von Creds Herberge betrachteten. »Wir versuchen es noch in dieser Straße, da hinten scheint sich eine Menschenmenge gesammelt zu haben.«
Sie waren noch nicht weit gegangen, als ihnen klar wurde, daß die Leute einen Mann umdrängten, der gerade in das Ende der Straße eingebogen war. Die Menge schrie zornig und schimpfte. Vor Fidelmas und Eadulfs überraschten Blicken ergriffen die Vordersten den Mann und zogen ihn von dem Esel, auf dem er geritten war. Er stieß einen schrillen Schrei aus und reckte verzweifelt die Arme in die Höhe, bevor er in der Menge verschwand.
So schnell sie konnte, rannte Fidelma auf die Leute zu. In dem Augenblick kamen Finguine und zwei seiner Männer aus einem Haus an der Straße heraus. Hinter ihnen erblickte Fidelma Bruder Bardán, doch jetzt wurde ihre Aufmerksamkeit anderweitig in Anspruch genommen.
»Was ist los?« rief Finguine, als sie, gefolgt von Eadulf, an ihm vorbeistürmte.
»Rasch, bring deine Leute mit!« schrie sie ihm über die Schulter zu.
Sie erreichten die Menge, die den Mann in ihrer Mitte lauthals beschimpfte. Er war wieder auf die Füße gekommen, wurde aber von allen Seiten gestoßen und geschlagen. Er blutete im Gesicht.
»Hört auf! Schluß damit, sage ich!« rief Fidelma und versuchte sich einen Weg durch die Menge zu bahnen.
Nun waren auch Finguine und seine Männer heran und folgten, ohne zu fragen, ihrem Beispiel, schoben die Menschenauseinander und von ihrem Opfer fort. Die Leute erkannten den Fürsten von Cnoc Áine und seine beiden Krieger und gaben zögernd
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