Tod in der Königsburg
Kopf.
»Erfinde keine Entschuldigungen für mich, Fidelma. Ich hätte so handeln müssen, wie es die Notwendigkeit erforderte. Ich habe meine Gemeinschaft enttäuscht. Ich habe das Volk von Muman enttäuscht.«
»Du gehst mit deinem eigenen Verhalten sehr hart ins Gericht, Ségdae. Deine Gemeinschaft braucht deine Weisheit mehr denn je. Keine kriegerische Weisheit, sondern die praktische Weisheit, für die du berühmt bist. Fasse keine voreiligen Entschlüsse.«
Der alte Mann seufzte und hielt sich das Bündel Kräuter vors Gesicht.
Fidelma bedeutete Eadulf mit einer Kopfbewegung, daß sie ihn seinen Gedanken überlassen sollten.
Sie fanden Bruder Tomar im Pferdestall, in dem auch ihre eigenen Pferde untergebracht waren. Er säuberte die Boxen.
Der Pferdewärter schien überrascht, daß sie ihn zum zweitenmal in so kurzer Zeit störten.
»Hast du etwas vergessen, Schwester?« fragte er.
Fidelma kam sofort zur Sache.
»Das Pferd des toten Räubers. Steht es hier im Stall?«
Bruder Tomar wies auf eine der Boxen.
»Ich habe es gut versorgt, Schwester. Ich habe es abgerieben und gefüttert. Das Pferd kann doch nichts für die Fehler seines Herrn.«
Fidelma und Eadulf gingen zu der Box. Fidelma war Pferdekennerinund hatte reiten beinahe früher gelernt als laufen. Sie musterte die junge rotbraune Stute scharf. Ihr fielen eine Narbe links an der Bugspitze und von Gebiß und Geschirr wundgeriebene Stellen auf. Offensichtlich war der Krieger kein guter Reiter gewesen, sonst hätte er die junge Stute besser gepflegt. Die Narbe bewies, daß das Pferd an Kämpfen beteiligt war. Es hatte jedoch keine frische Wunde.
Fidelma betrat die Box und untersuchte nacheinander alle Hufe. Das Tier ließ es friedlich geschehen, denn ein Pferd spürt es, wenn ein Mensch ihm nicht übelwill.
»Etwas Interessantes?« fragte Eadulf nach einer Weile.
Seufzend schüttelte Fidelma den Kopf.
»Das Pferd ist gut beschlagen, doch nichts verrät, wo es beschlagen wurde oder woher es stammt.«
»Wir könnten Nion fragen, ob er die Hufeisen erkennt«, meinte Eadulf.
Fidelma verließ die Box und untersuchte das in der Nähe hängende Geschirr.
»Ich nehme an, dieses Geschirr gehörte zu dem Pferd, Bruder Tomar?« rief sie ihm zu.
Der Pferdewärter fegte immer noch aus. Er blickte herüber. »Ja. Der Sattel dort auch.«
Das Zaumzeug war von der üblichen Art,
srían
genannt, mit nur einem Zügel.
Der einfache Ledersattel wurde über ein
ech-dillat,
eine Pferdedecke, geschnallt, wie sie Krieger bevorzugten. Fidelma bemerkte sofort die daran hängende lederne Satteltasche.
Mit einem leisen Knurren der Befriedigung hob sie sie auf und öffnete sie. Zu ihrer Überraschung erwies sie sich als leer. Sie enthielt nicht einmal Wäsche zum Wechseln. Offensichtlich hatte jemand den Inhalt entfernt.
»Bruder Tomar«, rief sie, »hast du die Stute abgesattelt?«
Neugierig schlenderte Bruder Tomar herbei, den Besen in der Hand. »Ja, habe ich.«
»Befand sich etwas in dieser Satteltasche, als du sie abnahmst?«
»Ich glaub schon, hab allerdings nicht reingesehen. Sie war aber schwer. Ich hab sie da hingestellt und danach nicht mehr angerührt.«
Fidelma starrte auf die leere Tasche.
»War jemand im Stall, seit du das Pferd hier hereingebracht hast?« fragte sie dann Bruder Tomar.
Der junge Stallwärter rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Viele Leute«, antwortete er schließlich. »Fürst Finguine und ein paar von seinen Männern. Viele Brüder kamen aus verschiedenen Gründen.«
»Wie meinst du das?«
»Dies ist eine Abkürzung zu unseren Vorratshäusern. Viele Brüder gingen zur Stadt, um zu sehen, wie sie helfen könnten, und kamen her, um Vorräte zu holen und sie dann unter den Geschädigten zu verteilen.«
Enttäuscht preßte Fidelma die Lippen zusammen.
»Es hätte also jeder in die Satteltasche hineinsehen und etwas herausnehmen können?«
»Warum hätte er das tun sollen?«
»Ja, warum wohl?« sagte Fidelma leise, mehr zu Eadulf als zu dem Pferdewärter.
Eadulf schob das Kinn vor. »Ich verstehe. Derselbe Mensch, der den Räuber erstach, als wir gerade nicht hinsahen, nahm wahrscheinlich seine Habseligkeiten an sich? Damit können wir wieder nicht feststellen . . .«
Er hielt inne, denn Fidelma schaute ihn mißbilligend an.
Bruder Tomar machte neugierige Augen.
»Ein schlechter Tag«, meinte der Pferdewärter schließlich. »Er wird aber besser«, versicherte Eadulf.
»Das bezweifle ich, Bruder Angelsachse«, erwiderte
Weitere Kostenlose Bücher