Tod in der Königsburg
alle anderen.«
Fidelma lächelte geduldig und wies auf den Griff. »Das Heft ist mit eingeritzten Tierzähnen verziert. Ich weiß, daß nur in einer bestimmten Gegend in den fünf Königreichen Éireanns die Schmiede solchen Schmuck verwenden, wenn ich nur wüßte, in welcher. Es ist eine ganz typische Verzierung.«
»Du meinst, daran könnte man erkennen, woher dieser Mann kommt?«
»Nicht unbedingt«, erwiderte sie. »Wir wüßten nur, wo das Schwert hergestellt wurde. Aber da wir gerade von Zufällen sprachen, es ist doch wohl kaum ein Zufall, daß der Attentäter und dieser Räuber eine solche auffallende Waffe führten?«
Eadulf überlegte und nickte zustimmend. »Wie hast du es genannt –
claideb dét
?« fragte er und betrachtete die Waffe mit neuem Interesse.
»Machaeram beluinis ornatam dolatis dentibus«,
erklärte sie es ihm lateinisch. »Ein mit eingeritzten Tierzähnen geschmücktes Schwert. Behalte es, Eadulf. Es kann noch einmal wichtig werden.«
Ein letztes Mal untersuchte Fidelma die Leiche und die Kleidung des Kriegers und stellte fest: »Nein, hier gibt es keine Hinweise, die uns weiterhelfen könnten. Wir wissen nur, daß der Mann kein Amateur war, doch ob er als Berufskrieger im Dienste eines Fürsten stand oder als Bandit einfach auf Beute aus war, das läßt sich nicht sagen. Alles, was er trug, könnte aus jeder Ecke der fünf Königreiche stammen, mit Ausnahme . . .«
»Mit Ausnahme des Schwertes«, unterbrach sie Eadulf.
»Mit Ausnahme des Schwertes«, wiederholte sie. »Aber das nützt mir nichts, solange ich mich nicht erinnern kann, welcher Stamm seine Schwerter auf diese Art verziert.«
Sie wandte sich zur Tür der Totenkammer und erklärte Bruder Bardán: »Ich bin mit der Leiche des Räubers fertig.«
Der Apotheker nickte knapp. »Mach dir keine Sorgen. Die wird beseitigt.«
Draußen zog Eadulf ein mißbilligendes Gesicht. »An scheinend nimmt Bruder Bardán die Lehre unseres Glaubens, man solle seinen Feinden vergeben, nicht sehr ernst. ›Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo.‹ Vielleicht sollte man ihn an diesen Text erinnern?«
»Epheser, Kapitel vier«, gab Fidelma das Zitat an. »Ich glaube eher, daß Bruder Bardán zu denen gehört, die ihre Feinde lieber der Vergebung Gottes anheimstellen und ihnen selbst keine bieten. Aber er ist eben ein Mensch mit all seiner Schwachheit. Daig bedeutete ihm sehr viel.«
Eadulf begriff plötzlich, was sie meinte, und sagte nichts weiter dazu.
Als sie durch den Kreuzgang zurückgingen, trafen sie AbtSégdae, der mit hängendem Kopf im Schatten saß. Er roch an einem kleinen Bündel Kräuter.
Er sah auf, als sie sich näherten, und lächelte schwach. Dann wies er auf die Kräuter.
»Bruder Bardán sagt, ihr Aroma ist gut gegen meine Kopfschmerzen.«
»Was macht deine Wunde, Ségdae?« fragte Fidelma. Sie mochte den alten Abt sehr, er war seit Jahrzehnten ein enger Freund ihrer Familie.
»Die Beule soll schlimm aussehen, aber die Schleuderkugel hat glücklicherweise nicht die Haut platzen lassen. Ich habe nur eine Schwellung und schlimme Kopfschmerzen, weiter nichts.«
»Du mußt dich schonen, Ségdae.«
Der Abt lächelte schwach. »Ich bin ein alter Mann, Fidelma. Vielleicht sollte ich hier Platz machen für einen Jüngeren. Die Annalenschreiber werden es verzeichnen, daß während meiner Amtszeit als Comarb von Ailbe die heiligen Reliquien gestohlen wurden und der heilige Eibenbaum von Imleach zerstört wurde. Kurzum, ich habe es zugelassen, daß die Eóghanacht entehrt wurden.«
»Du darfst nicht daran denken, dein Amt aufzugeben«, widersprach ihm Fidelma. Für sie war Ségdae eine der feststehenden Säulen des Königreichs.
»Ein Jüngerer wäre vielleicht nicht so dumm gewesen, sich auf den Turm zu stellen und sich von einer Schleuderkugel fällen zu lassen«, erwiderte Ségdae trübsinnig.
»Ségdae, wenn du ein Kriegsherr wärst, würde ich dir sofort raten, dein Amt abzugeben«, erklärte ihm Fidelma offen. »Aber du bist ein Seelenhirt. Es ist nicht deine Aufgabe, die Verteidigung gegen einen Überfall zu organisieren. Dubist hier, um als Ratgeber, Lenker und Vater deiner Gemeinschaft zu wirken. Tapferkeit muß immer nach den Umständen beurteilt werden. Manchmal zeugt es schon von Tapferkeit, daß man einfach am Leben bleibt.«
Der Abt, der in Eadulfs Augen seit ihrer Ankunft in der Abtei sehr gealtert schien, schüttelte den
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