Tod in der Marsch
und feuerte es quer durch die kleine Küche in eine Ecke.
»Rausgeschmissen habe ich sie«, schrie er. Zorn
sprühte aus seinen Augen. »Viele Jahre habe ich mich abgeschuftet, habe
Überstunden geschoben. Hier!« Er zeigte den beiden seine schwieligen Hände.
»Damit habe ich meine Familie ernährt. Und?« Verstohlen wischte er sich über
die Augen. »Rausgeschmissen haben sie mich.«
»Wer?«, mischte sich Christoph in das Gespräch ein.
»Wer hat wen rausgeschmissen?«
Dahl sah auf und blickte verständnislos in das Gesicht
des Hautkommissars, als ob er die Frage nicht verstehen würde. »Na, der
Betrieb. Einfach dichtgemacht haben die. Keine Arbeit. Wen interessiert da
schon, wo Peter Dahl mit seiner Familie bleibt, wie Peter Dahl seine Raten
bezahlen kann!«
»Und weiter«, ermunterte ihn Christoph.
Doch Dahl rülpste nur laut und stand auf. »Ich muss
mal pissen«, verkündete er und verließ die Küche. Durch die offenen Türen in
der Wohnung hörten sie, wie er kräftig Wasser ließ.
»Der ist absolut unten«, flüsterte Christoph seinem
Kollegen zu.
»Ich bin mir auch nicht sicher, ob wir hier noch mehr
in Erfahrung bringen können. Außerdem steckt er voller Widersprüche. Einmal
behauptet er kläglich, seine Frau habe ihn verlassen. Im nächsten Moment will er
es gewesen sein, der seine Frau vor die Tür gesetzt hat. Was trifft nun zu? Wie
sollen wir das bewerten? Und – aus welchem Grund sollten eheliche
Auseinandersetzungen für uns von Interesse sein, so tragisch sie für die
Beteiligten auch sein mögen?«, fasste Große Jäger seine Meinung zusammen.
Christoph musste ihm Recht geben. »Es gibt für uns
immer noch keinen Anlass, sich in die höchst privaten Angelegenheiten fremder
Leute einzumischen. Es kann durchaus sein, dass Frau Dahl mit ihrer Tochter
eine vorübergehende Auszeit bei einem Verwandten genommen hat.«
In der Toilette wurde die Spülung betätigt. Dahl
erschien wieder in der Küche. Er setzte sich und schien den Faden des
Gespräches verloren zu haben.
»Herr Dahl«, setzte Christoph vorsichtig an, »Sie hatten
uns gerade davon berichtet, dass Sie Ihren Job verloren haben.«
Dahl blickte auf. Dann zeigte er mit dem Finger auf
Große Jäger, als wolle er den für seine Lage verantwortlich machen. »Das ist
ein saublödes Ding, wenn du das Gefühl hast, keiner braucht dich mehr. Diese
verdammte Rumgammelei … Irgendwann gab’s Zoff mit Anne.« Mit weinerlicher
Stimme murmelte er eher selbst zu sich: »Sie hatte ja auch Recht. Es geht doch
nicht ohne sie.«
Es entstand eine Pause, als würde er über die
Erkenntnis nachdenken. Unvermittelt schlug er mit der Faust auf die
Tischplatte, dass die dort liegenden Gegenstände abhoben. »Diese Sau«, schrie
er, der Speichel floss wieder aus seinen Mundwinkeln, »diese verdammte Sau.
Bumst einfach mit dem Türken.«
»Welcher Türke?«, fragte Christoph.
»Was weiß ich«, gab Dahl zur Antwort. »Irgend so ein
hergelaufener Mistkerl. Ich kenne ihn nicht, aber Gott sei ihm gnädig, wenn ich
ihn erwische.« Er reckte die Faust in die Luft. »Den bringe ich um!«
Er griff hinter seinen Stuhl, öffnete behände eine
neue Flasche Bier und leerte diese ohne abzusetzen gut zur Hälfte. Für ihn war
das Gespräch damit offensichtlich beendet.
»Ich weiß nicht, was mich veranlasst, ohne jede
Berechtigung in den Eheproblemen fremder Leute herumzuwühlen«, hatte Christoph
auf dem Weg zurück zur Dienststelle gesagt, aber dennoch den kurzen Umweg über
die Bäckerei gemacht, in der Frau Dahl ihren Teilzeitjob ausübte. Eine
rundliche kleine Frau mit gesunden roten Pausbacken hatte ihnen bereitwillig
Auskunft erteilt.
»Ja, natürlich kenn ich Anne. Eine liebe Kollegin …
Und so ruhig … Die is schon lange hier in Laden … Da kriegt man ‘ne Menge mit …
Auch von privat … Anne hat alles für ihre Lütte getan … Ihr Mann is eigentlich
auch ‘nen ganz netten Kerl. So’n ganz Ruhigen. Hat nur manchmal mit seine
Kollegens vonne Werft ein getrunken. Wie Männers das so tun.«
»Kennen Sie Freunde oder Bekannte der Familie?«,
fragte Christoph.
Die Verkäuferin strich sich über ihren adretten
Kittel. »Nee! Wie ich schon gesagt hab … Anne hat fast nix von zu Haus erzählt
… Aber! Warten Sie mal.«
Sie kratzte sich vorsichtig mit der Hand den
Haaransatz über der Stirn: »Da fällt mir noch was ein … Da war mal ‘nen Mann.
Der is vor’n Laden auf und ab gegangen. Mensch, war das Anne peinlich. Sie is
dann kurz raus vor
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