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Tod in der Walpurgisnacht

Tod in der Walpurgisnacht

Titel: Tod in der Walpurgisnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Wahlberg
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systematischer vergessen ließ.
    Die Erwachsenen um sie herum waren nicht leicht zu verstehen gewesen. Man strich ihr sanft über den Kopf und bat sie, in ihrem Zimmer oder draußen zu spielen. In jener Zeit war sie viel in ihrem Zimmer oder allein draußen gewesen.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen. Es roch nach Kaffee. Draußen im Personalraum hatte jemand welchen aufgesetzt. Sie wandte den Kopf zur Tür und sog die Luft ein, erhob sich aber nicht.
    Die Traurigkeit war jetzt in ihrem Innern eine Etage tiefer gerutscht und lag dort schwer und zäh. Sie schluchzte nicht einmal. Vielleicht würde alles wieder in Gang kommen, wenn sie sich zusammennehmen und die knapp vierzig Kilometer ins Landesinnere fahren würde, in die Gegend, die sie zwischen zweiter und dritter Klasse verlassen hatte, um dann in Oskarshamn aufzuwachsen.
    Jetzt war sie eine freiwillige Rückkehrerin auf Zeit. Denn wenn das PJ erst einmal abgeschlossen war, wollte sie nach Lund zurückkehren. In die Wohnung an der Södra Esplanaden, die jetzt untervermietet war. Zurück zu Schwung und Elan der Studentenstadt, zurück an den Ort, an dem niemand ihren Hintergrund kannte. Wo sie einfach nur irgendjemand war.
    Aber das musste noch warten. Jetzt gab es anderes zu erforschen. Die durchtrennten Kabel zwischen damals und heute waren unweigerlich wieder miteinander verbunden worden. Der Strom floss. Sie musste da durch.
    Der Atem stockte ihr. Ihre Lippen glitten auseinander, um den zitternden Luftstrom rauszulassen und auch das Weinen, das jetzt endlich kam.
    »Die Jahre vergehen«, stieß sie mit belegter Stimme hervor. Das sagte sie wie eine alternde Frau, die sich über den Gang der Dinge beklagt. Der Computerbildschirm vor ihr antwortete natürlich nicht, ebenso wenig wie die Wand oder das Pinnbrett.
    »So ist es«, sagte hingegen eine fröhliche Stimme direkt hinter ihr. »Und das ist so ziemlich das Einzige, dessen man sich ganz sicher sein kann.«
    Sie fuhr auf dem Drehstuhl herum und sah in das Gesicht von Veronika Lundborg, die eben mit einem Stapel Zeitschriften den Raum betreten hatte. Die ältere Kollegin versuchte angestrengt, die Zeitschriften in das bereits überfüllte Regal zu stopfen. Warum schmeißen wir den Mist nicht einfach weg?, dachte Hilda flüchtig. Das meiste davon findet man inzwischen ohnehin im Netz.
    Doch sie sagte nichts, weder über die Zeitschriften noch darüber, was sie eben entdeckt hatte. Beide nickten und lächelten einander zu. Dann war sie wieder allein.
    Und sofort überfiel sie alles von neuem.

Kapitel 3
    Hilda, Dienstag, den 1. Februar 2011
    H ilda riss ihr Rad aus dem Fahrradständer. Es standen nur wenige Räder unter dem Wellblechdach, natürlich waren die meisten Leute mit dem Bus oder dem Auto gefahren. Erst neulich war ihr aufgefallen, dass der Bus immer noch das Fortbewegungsmittel für Frauen war – die Krankenschwestern und Sekretärinnen nahmen »die Öffentlichen«, während ihre Männer mit dem Auto fuhren. In Lund fuhren alle mit dem Rad. Doch hier standen reihenweise glänzende Karossen zwischen den kahlen Vogelbeerbäumen, die den Parkplatz in verschiedene Abschnitte aufteilten. Sogar die Autos wirkten, als würden sie in der rauen Luft zittern.
    Sie zog den Sattelschutz über, stieg auf und radelte langsam und unsicher am Eingang des Krankenhauses vorbei zum Fahrradweg Richtung Stadtzentrum. Der Schnee lag in gräulichen Rinnen und entblößte zum Teil getaute, unebene Eisplacken. Die Räder rollten halb und rutschten halb; glatt war es und unberechenbar, was für eine blöde Jahreszeit! Immerhin gab es noch Tageslicht, obwohl es schon später Nachmittag war. Sie musste nicht das Fahrradlicht einschalten, das war ja schon mal etwas.
    Nachdem Veronika gegangen war, hatte sie Schluss gemacht. Sie hatte die Mappe zusammengeklappt, sich schnell umgezogen, ausgestempelt und den Fahrstuhl nach unten genommen. Sie musste sich abkühlen und brauchte Ruhe.
    Jetzt schaffte sie es mit Mühe und Not, den kurzen Weg zum Rondell an der östlichen Einfahrt zum Stadtzentrum zu bewältigen. Februar und März waren eine schreckliche Übergangszeit, weder Winter noch Frühling. Sie dachte an Sam. Wenn sie ihn doch nur finden könnte, sie sehnte sich danach, mit ihm zu sprechen. Über früher reden. Worte für den Schrecken finden. Vielleicht erinnerten sie sich ja an unterschiedliche Dinge. Sie hatten niemals über das gesprochen, was da geschehen war, warum sollten sie auch? Es tat schließlich weh. Auf

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