Tod in Kreuzberg
Augen.
»Ich bin arbeitslos. Ich habe in einer Kunstgalerie in Mitte gearbeitet, Mädchen für alles: Pressearbeit, Aufpasserin und so weiter. War gut, aber nach drei Jahren hatte der Typ keinen Bock mehr. Hat nur Stücke aus seiner Kunstsammlung ausgestellt, nichts verkauft. Schon seltsam. Stinkt vor Geld, der Kerl. Und ist irre. Aber der Job war wirklich prima.«
»Und jetzt suchst du was Neues.«
»Du bist ein Blitzmerker.«
Die Kuchenkistenfrau kam mit den Torten und dem Kaffee. Sie grinste, als sie es abstellte. Warum grinst sie? Baggert Laura jeden Tag einen Typen an und lässt sich aushalten? Begrab das Misstrauen. Lily verstand es, einem das Leben noch zu versauen, wenn sie längst verschwunden war.
»Du glaubst mir nicht«, sagte Lara.
»Doch. Warum sollte ich nicht?«
»Weil du so guckst. Du traust niemandem.«
»Ich traue meinen Freunden.«
»Und wer sind die?«
Matti erzählte von Dornröschen, Twiggy und Robbi. Lara hörte aufmerksam zu. Die Tortenstücke waren unberührt.
»Solche Freunde hätte ich auch gern.«
Dann redete Matti über seine Angst, dass Dornröschen sie verlassen könnte. Warum erzählte er das einer wildfremden Frau, die er auf der Straße aufgelesen hatte?
Sie fand es offenbar nicht ungewöhnlich. Sie hörte aufmerksam zu, nickte, schüttelte den Kopf, und als er von Robbis geheimnisvoller Krankheit berichtete, seufzte sie leise.
Sie fragte, ob er in Dornröschen verliebt sei.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Und wenn, es würde die WG zerstören. Also ginge es sowieso nicht.«
Sie nickte. »Die Gewichte verschöben sich, das klappt nie.«
»Wo wolltest du hinfahren?«, fragte Matti.
Sie blickte ihn an. »Keine Ahnung«, sagte sie leise. »Ich wollte aus dem Rhythmus raus. Vorstellungsgespräch, Termin bei der Arbeitsagentur. ›Besuchen Sie eine Fortbildungsmaßnahme, Buchhaltung, das wird verlangt‹«, äffte sie nach. »Vorstellungsgespräch, Agentur … Es macht einen müde.«
»Du wolltest was Verrücktes machen?«
»So ähnlich.« Sie hatte ein schönes Lächeln. »Dich hat eine enttäuscht«, sagte sie.
»Ja, aber woher …?«
»Das sehe ich dir an.«
Sie aßen die Tortenstücke. Manchmal wechselten sie kurze Blicke. Einmal lächelte sie ihn an, während sie an irgendetwas dachte und ein paar Sekunden aufhörte zu kauen.
»Es ist die Stimme«, sagte sie. »Ich stehe auf Stimmen. Deine ist gut. Männlich, aber es fehlt der Machoton.«
Matti grinste. »Dir fehlt auch der Machoton.«
Sie lachte.
Als sie aufgegessen hatten, teilten sie die Rechnung. »Einen Spaziergang, oder musst du los?«
»Ich habe einen wichtigen Fahrgast.«
Sie gingen in den Görlitzer Park. Qualmsäulen, der Geruch der Grills. Krähen, überall Krähen. Menschen sonnten sich. Andere saßen da, die Flasche in der Hand. Hunde tollten umher. Eine Gruppe in der Senke, darunter ein bärtiger Mann mit Gitarre, der sich an Townshends Drowned besser nicht versucht hätte. Sie blieben am Rand des kleinen Tals stehen und betrachteten das provisorische Bretterhaus, an dem Plakate gegen die Privatisierung von Immobilien protestierten.
»Ist echt ’ne Sauerei«, sagte Lara. »Wie hieß sie?«
Matti stutzte. »Lily.«
»Ach, du lieber Himmel«, sagte Lara.
Sie schlenderten zum nördlichen Ausgang an der Wiener Straße. Ein Pulk von Schwarzafrikanern, lässiges Outfit. Dunkle Augen musterten Matti und Lara.
»Die kontrollieren diesen Teil des Parks«, sagte Lara. »Das sieht gar nicht danach aus, ist aber organisiert. Ein paar Typen lungern rum, stehen in Wahrheit aber Schmiere, einer dealt, die anderen sind das Wachpersonal. Die checken einen, wenn man hier lang läuft. Und ich möchte nicht gecheckt werden, von niemandem.« Sie nahm kurz seine Hand und ließ wieder los. »Am Schwimmbad besetzen die manchmal den Bürgersteig. Ist ein seltsames Gefühl, da durchzulaufen.«
Als sie zum Spreewaldbad kamen, war der Bürgersteig tatsächlich aufgeteilt. An beiden Enden lungerten Typen, die so taten, als langweilten sie sich. Am Zaun zum Kinderzirkus stand eine Gruppe von Schwarzen, die mit einem Weißen redeten. Der gab Geld, erhielt ein Päckchen und eilte davon in Richtung Kanal.
Am Spreewaldplatz tippte Lara ihm an die Schulter. »Kaffee im Marx ?«
»Du lebst auf Koffeinbasis?«
Sie nickte. »Außerdem hast du keine Wahl, schließlich habe ich dich fürstlich bezahlt.«
»Aber nur als Taxifahrer.«
»Wir leben in einer Dienstleistungsgesellschaft. Nichts geht über den Service am
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