Tod in Lissabon
die Welt das vergessen hat, und in dieser Zeit ist jede Verbindung zur SS sehr gefährlich. Wenn du hier bleibst – und es gibt keinen Grund, warum du das nicht tun solltest –, musst du Schweigen über diese Dinge bewahren und nichts dazu sagen, wenn sie im Gespräch erwähnt werden.«
Felsen tat genau das. Er rauchte seine Zigarre und nippte an seinem Drink. Lehrer erhob sich und schüttelte die Geschichte ab. Er stemmte die Hände in die Seiten, legte den Kopf weit zurück und blickte in den klaren Nachthimmel.
»Es ist spät«, sagte er. »Ich habe zu viel getrunken und muss jetzt schlafen gehen.«
»Nimm die Lampe mit, Oswald«, sagte Felsen. »Du wirst sie brauchen, um dein Zimmer zu finden.«
»Ich habe hier gut geschlafen«, erwiderte Lehrer. »Die Ruhe ist fantastisch.«
»Gute Nacht.«
»Gehst du noch nicht schlafen?«
»Gleich. Ich bin noch nicht müde.«
Lehrer hinkte ins Haus. Felsen hörte das leise Klicken, als Lehrer seine Schlafzimmertür öffnete und wieder schloss. Eine Stunde lang saß er in der Dunkelheit, bis er nach und nach die Blätter der Feigenbäume, die Umrisse der Mauer und die dahinter liegenden Felder ausmachen konnte. Er blendete das Zirpen der Zikaden aus und konzentrierte sich auf das Knacken der abkühlenden Dachbalken und das gleichmäßige Schnarchen, das aus einem der Fenster drang.
Dann duckte er sich unter die Zweige der Feigenbäume und kroch über die niedrige Natursteinmauer. Er löste ein Stück Schiefer und nahm ein Bündel heraus, das ein Bowie-Messer und ein weiteres Messer mit kurzer Klinge enthielt, mit dem man die Wirbelsäule von Tieren durchtrennte. Es war halb drei morgens.
Er ging zurück ins Haus und öffnete die zweite Schlafzimmertür auf der Westseite. Abrantes stand wartend am offenen Fenster. Felsen überreichte ihm das kurze, brutale Messer, überquerte den Flur und betrat das erste Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite. Der Raum war von Fischers Schnarchen erfüllt. Der Mann lag auf dem Rücken, den Hals perfekt dargeboten. Felsen stieß die Klinge ohne Zögern durch die Luftröhre, bis er spürte, dass die Messerspitze auf die Wirbelsäule stieß. Fischer riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Felsen zog das Laken zurück und stieß die Klinge bis zum Griff in den Brustkorb des Mannes, bevor er den Raum rückwärts verließ. Im Flur wartete Abrantes auf ihn, der Hanke mit einem einzigen Stich in die Hirnrinde in einen noch tieferen Schlaf befördert hatte. Felsen wies wortlos auf Schmidts Tür am Ende des Korridors.
Als er versuchte, Wolffs Tür aufzustoßen, wusste er sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Tür ließ sich nur einen Spalt weit öffnen. Er rammte seine Schulter dagegen und hörte, wie das Bett in dem Zimmer über den Boden schrammte. Als er sich durch den Spalt zwängte, wachte Wolff gerade auf und hatte schon nach der Mauser auf dem Nachttisch gegriffen. Felsen schlug mit der Faust gegen seinen Hals, sodass Wolffs Kopf gegen die weiße Wand schlug, was ihn jedoch nicht daran hinderte, eine Salve abzufeuern, die mit ihrem gewaltigen Dröhnen das Dach zu zerreißen schien. Felsen packte Wolffs Schusshand und stieß die Klinge des Bowie-Messers in seinen Brustkorb. Der Stich ging glatt durch, punktierte jedoch nur einen Lungenflügel. Er zog die Klinge heraus, stach erneut zu, traf auf einen Knochen und rutschte ab. Das Messer fiel scheppernd zu Boden, sodass Felsen die Pistole aus Wolffs erschlaffender Hand zu reißen versuchte, doch der klammerte sich weiter fest an ihn. Dabei hustete und spuckte er eine klebrige dunkle Masse auf Felsens Hals und Brust. Felsen drückte den Lauf der Waffe in den Bauch des Mannes und drückte zweimal ab. Die Wucht der Kugeln zuckte durch Wolffs Körper, doch er ließ ihn noch immer nicht los. Gemeinsam fielen sie aufs Bett wie erschöpfte Liebende. Felsen löste sich aus der Umarmung und stürzte durch den Flur Richtung Lehrers Zimmer.
»Er ist nicht da«, zischte Abrantes ihm entgegen und wies auf Schmidts leeres Zimmer. »Das Fenster war offen, und er war weg.«
»Vor oder nach den Schüssen?«
»Er war nicht da«, wiederholte Abrantes verwirrt.
»Dann finde ihn.«
»Wo denn?«
»Er ist irgendwo da draußen. Finde ihn.«
Plötzlich tauchten Abrantes’ Umrisse aus der Dunkelheit in das ölig gelbliche Licht einer Sturmlaterne. Vor ihnen stand Lehrer in Unterhose und Unterhemd, in der rechten Hand seine Walther PPK.
»Was geht hier vor?«, fragte er, kein bisschen
Weitere Kostenlose Bücher