Tod in Lissabon
verstummten, die Schafe mit eingezogenen Köpfen den Schatten der Korkeichen suchten und selbst der Rio Guadiana praktisch stillzustehen schien. Ein herannahendes Fahrzeug war schon eine Stunde vorher zu hören, und die Einheimischen spitzten die Ohren, weil in dieser Gegend nur selten Fahrzeuge unterwegs waren.
Felsen und Abrantes fuhren einen Dreitonner durch ein Feld aus blutrotem Klatschmohn und mähten die Blüten auf der Rückseite der quinta nieder. Sie hatten Essensvorräte in Dosen für zwei Wochen, vierzig Liter Wein in 5-Liter-Ballonflaschen, eine Kiste Cognac, eine Kiste Port, vier Koffer mit Kleidung und einen Stapel Bettwäsche geladen, zwei Walther P48 waren unter dem Fahrersitz verstaut. Zwischen den beiden stand ein Aktenkoffer mit Papieren und Pässen für vier Männer, dicht gepackte Bündel von Tausend-Escudo-Scheinen und ein Samtsäckchen mit vierundzwanzig ungeschliffenen Diamanten. Felsen versuchte zu rauchen, doch der LKW holperte so heftig über die Furchen des Feldes, dass er die Zigarette nicht zum Mund führen konnte. Es war halb sieben Uhr abends.
Sie erreichten den ausgetretenen, lehmigen Hinterhof der quinta und setzten den Laster rückwärts bis an die Küchentür. Felsen schloss auf. Die Kühle im Innern der dicken Mauern hieß ihn willkommen. Sie luden die Vorräte ab und fuhren den LKW in die Scheune neben dem Haus. Abrantes nahm zwei Tonkrüge, um sie am Brunnen zu füllen. Felsen verstaute die Bettwäsche. Er durchquerte das große Esszimmer mit der gewölbten Decke und öffnete eine Flügeltür zu einem drei Meter breiten Flur, von dem, gleichmäßig auf beide Seiten verteilt, insgesamt acht Schlafzimmer abgingen.
In allen Zimmern waren Fenster und Läden geschlossen, nur durch schmale Ritzen an den Rändern drang das strahlende Sonnenlicht ein. Auch die Innenmauern waren eineinhalb Meter dick, sämtliche Räume überkuppelt. Felsen verteilte die Bettwäsche auf die vier nach Osten und zwei nach Westen hinausgehenden Räume. Am Ende des breiten Flurs hing ein Kruzifix an der Wand, das er gerade rückte. Verschwitzt von der langen Fahrt spürte er die Kühle auf seiner Haut.
Nachdem er die Flügeltür vom Esszimmer zur Terrasse entriegelt und aufgestoßen hatte, ging er hinaus, ließ sein schweißnasses Hemd in der Sonne trocknen und zündete sich eben eine Zigarette an, als er ein unverkennbares metallisches Klicken hörte. Er drehte sich um und sah einen Mann, den er nicht kannte, jedoch sofort als Deutschen identifizierte, mit einem Revolver in der Tür stehen.
»Guten Abend«, sagte er. »Mein Name ist Felsen. Ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet.«
Der Mann war größer als Felsen, und mit seiner gebrochenen Nase und den halb geschlossenen Augenlidern sah er brutal aus.
»Schmidt«, sagte er und lächelte.
Hinter den Feigenbäumen ertönten Gelächter und eine vertraute Stimme.
»Schmidt nimmt die Sicherheit sehr ernst. Wir sind froh, dass wir ihn dabeihaben, Klaus.«
Lehrer, Hanke und Fischer, alle drei mit kragenlosem Hemd, Hose und schwarzer Weste, kamen hinter den dichten grünen Blättern hervor. Felsen umarmte jeden von ihnen.
»Wo ist Wolff?«
»Hier«, sagte Wolff, der neben Schmidt auftauchte, den Lauf seiner Mauser auf Abrantes gerichtet.
»Ich hatte euch erst in ein paar Tagen erwartet«, sagte Felsen.
»Wir sind früher losgekommen«, sagte Lehrer, und die Männer lachten. »Wir haben zwei Nächte in der Scheune geschlafen.«
»Gibt es irgendwelche Neuigkeiten aus Deutschland?«, fragte Hanke.
»Weidling hat am 2. Mai die Kapitulation Berlins erklärt. Jodl hat am 7. gegenüber Eisenhower, Keitel einen Tag später gegenüber Schukow kapituliert.«
»War eine Kapitulation nicht genug?«, meinte Hanke.
»Und der Führer?«, fragte Wolff.
»Man nimmt an, dass er tot ist, doch es gibt einige Verwirrung«, berichtete Felsen. »Man hat seine Leiche nicht gefunden.«
»Er wird zurückkommen«, sagte Wolff. Lehrer sah ihn skeptisch an.
»Ich habe neue Kleidung gekauft, falls sich irgendwer vor dem Abendessen umziehen will«, sagte Felsen.
»Nein, nein«, erwiderte Lehrer, »nach zehn Tagen als Priester sind wir als Landarbeiter ganz glücklich. Lass uns essen. Wir ernähren uns schon seit zwei Tagen von Feigen und sind völlig ausgehungert.«
Nach dem Essen saßen sie bei Kerzenschein um den Tisch. Die Türen zur Terrasse standen offen. Alle tranken Cognac oder Port bis auf Schmidt, der gar nichts trank, sondern, die linke Hand auf
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