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Tod in Lissabon

Tod in Lissabon

Titel: Tod in Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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schlaftrunken, sondern hellwach und mit alter Autorität.
    »Hanke, Fischer und Wolff sind tot. Schmidt ist nicht in seinem Zimmer«, sagte Felsen, ohne nachzudenken.
    »Und er?«, fragte Lehrer und wies mit der Waffe auf Abrantes, der ein kurzes, blutiges Messer in der Hand hielt. »Und du? Was ist mit deinem Hemd?«
    Die Vorderseite von Felsens Hemd war schwarz von Wolffs Blut. Sie blickten sich an, bis Lehrer entsetzt die Augen aufriss, als er begriff, was gespielt wurde.
    Seine Waffe zielte auf keinen der beiden Männer. Felsen schlug nach seiner Hand, und eine Kugel löste sich und prallte von der Wand durch Schmidts offene Schlafzimmertür. Felsen zielte mit Wolffs Mauser auf Lehrers Unterleib und feuerte mehrmals ab, ohne den Lauf zu heben, um den tödlichen Schuss zu setzen. Lehrer brach lautlos zusammen, seine Pistole rutschte über den Boden und schlug gegen die Sturmlaterne, die in gelben Flammen aufging.
    Schreiend umklammerte Lehrer sein blutiges Knie. Flammen tanzten über seine Knöchel und Schienbeine bis hinauf zu seiner Unterhose. Felsen stieg über seinen Körper hinweg, hob die Waffe auf, ging in Lehrers Zimmer und riss ein Laken vom Bett, mit dem er das Feuer löschte. Lehrer biss die Zähne aufeinander und zischte vor Schmerz. Abrantes stand mit dem Messer in der Hand über ihm. Felsen gab ihm Lehrers Walther PPK und befahl ihm, Schmidt zu finden.
    Dann packte er Lehrer unter den Armen und schleifte ihn ins Wohnzimmer, wobei jener die ganze Zeit voller Qual schrie. Er zündete die Kerzen auf dem Tisch an und richtete Lehrer, der keuchend auf der Tischplatte zusammengebrochen war, wieder in seinem Stuhl auf. Ein Bein hatte schwere Verbrennungen erlitten, die Haut war blasig und verkohlt. Das andere Bein war unter der Kniescheibe von einer Kugel getroffen worden. Felsen setzte sich ihm gegenüber und legte die noch warme Mauser auf den Tisch zwischen sie. Er nahm den Cognac und füllte zwei benutzte Gläser, von denen er Lehrer eins rüberschob.
    »Trink, Oswald. Das bringt dich über die nächsten zehn Minuten.«
    Lehrer hob den Kopf, sein Gesicht glänzte von Schweiß und Tränen. Er nahm das Glas, trank, und Felsen schenkte ihm nach.
    »In meinem Zimmer habe ich Morphium.«
    »Ach, wirklich?«
    »In einem kleinen Lederkoffer am Fenster. Eine Spritze und vier Ampullen.«
    Felsen rührte sich nicht, sondern zündete sich eine Zigarette an.
    »Ich hätte mir denken können, dass du als Mann mit einem so tiefen Verständnis der Materie Angst vor Schmerzen hast.«
    »Am Fenster … ein kleiner Lederkoffer.«
    Felsen lehnte sich zurück und rauchte. Lehrer grunzte in regelmäßigen Abständen, als litte er unter Verstopfung.
    »Was war das Schlimmste, Oswald?«
    »Hol mir das Morphium, Klaus … bitte.«
    »Erzähl mir das Schlimmste.«
    »Ich kann es nicht sagen.«
    »Was soll das heißen? Waren es zu viele oder war eines zu grausam?«
    »Ich kann nicht … ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Ich möchte bloß wissen, ob es irgendetwas gegeben hat, worunter du gelitten hast … persönlich, meine ich.«
    »Tu mir einfach den Gefallen, und erschieß mich, Klaus. Ich werde dieses Spiel nicht …«
    »Erst wenn du dir Mühe gegeben hast.«
    Felsen zündete eine weitere Zigarette an, die er Lehrer hinhielt. Der nahm sie, bevor er sein Gesicht in der Beuge seines Ellenbogens vergrub wie ein Schüler vor einer schweren Prüfung.
    »Ich helfe dir auf die Sprünge, Oswald«, sagte Felsen und trank einen Schluck Brandy. »Es war einmal eine Frau, die war eine Hure. Und als sie genug Geld zusammenhatte, machte sie einen Klub auf. Nicht viel mehr als ein Bordell mit Getränkezwang und schlechten Revue-Nummern, aber sehr beliebt beim Militär, weil die Frau für ihre Kunden immer etwas Besonderes finden konnte … Jetzt bist du dran, Oswald.«
    Als Lehrer den Kopf wieder hob, stieß er die Cognacgläser um. Er wirkte verwirrt, sich an diesem Ort wieder zu finden.
    Felsen richtete die Gläser wieder auf und füllte sie erneut. Lehrer versuchte vergeblich, die Zigarette in den Mund zu stecken, bis Felsen ihm half.
    »Eines Tages erhielt sie einen Anruf von einem Gruppenführer, der sie bat, zwei jüdische Mädchen zu einem Haus an der Havel zu schicken. Man brachte sie zu einem prachtvollen Zimmer mit hohen Decken und Fenstern mit Blick auf das Wasser. In dem Raum warteten zwei Offiziere. Der Gruppenführer und sein Vorgesetzter. Man sagte den Mädchen, sie sollten sich ausziehen und dann ihren Mantel wieder

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